Geschichten und Spitzenschlager aus der jungen Bonner Republik
Zum Mai Stammtisch des Heimatvereins am 3. Mai begrüßte Jürgen Karlshaus einmal mehr Diethelm Textoris, die „Allzweckwaffe“ unseres Vereins. Während er bisher eher als unser Wanderführer, Sänger und Discjockey aufgetreten ist, stand dieser Abend unter der Überschrift:
„Best of – die Spitzenschlager der Nachkriegszeit“
eine animierte Power- Point- Präsentation mit Bild- und Tonaufnahmen.
Gemeint ist die Zeit von Ende der 1940-iger bis Mitte der 1960-iger Jahre, von Trizonesien bis zum Ende der Adenauer- Ära. In den Vortrag baute Diethelm zahlreiche Bild- und originale Tondokumente ein. Deutsche Schlager waren für die Menschen in dieser Zeit des beginnenden Wirtschaftswunders der jungen Bundesrepublik ein ständiger Begleiter.
1945, der Krieg war zu Ende, die meisten Städte durch die Bombenangriffe zerstört. Dortmund zu 90%. Deutschland und Berlin waren aufgeteilt in 4 Besatzungszonen der Siegermächte. Das spiegelte sich im Trizonesien Song (Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien) wieder. 1948 als Karnevallied geschrieben, wurde es weit über das Rheinland hinaus bekannt wurde. Es übernahm teilweise die Funktion der fehlenden Nationalhymne. Im Ausland, besonders in England, kam das gar nicht gut an.
Den Wiederaufbau prägten zunächst die Trümmerfrauen. Sie begannen mit den Räumarbeiten. Eine wichtige Funktion bekamen die öffentlichen Verkehrsmittel. Es ging zum „Hamstern“ aufs Land. Die Bilder zeigten Züge, bei denen die Passagiere auf den Trittbrettern und den Dächern mitfuhren. Es gab Bezugsmarken, und die härteste Währung waren Zigaretten. 1948 war die Währungsreform und die „D-Mark“ war da.
Auch hier gab es schon begleitende Schlager:
Den „Zementmixboogie“ für den Aufbau, „Der Zug nach Kötzschenbroder“ fürs Hamstern, und Jupp Schmitz sang „Wer soll das bezahlen“.
Am 23.05.1949 trat das Grundgesetz in Kraft, am 14.08. fand die erste Bundestagswahl statt und Konrad Adenauer wurde der erste Bundeskanzler der neuen Bundesrepublik Deutschland. Zur Einstimmung spielte Diethelm Textoris einen Redebeitrag von Adenauer zur Bundestagssitzung am 20.09.1949 ein.
Aber jetzt zurück in die Schlagersteinzeit. Damals erzählten die Schlager die unterschiedlichsten Sehnsüchte der „Bundesdeutschen“. Es stellte sich ein gewisses Fernweh ein. Ausdruck fand das in der „Italiensehnsucht“.
So sang Rudi Schuricke das Lied der „Capri Fischer (Wenn in Capri die rote Sonne)“ und Rene Carol sang „Kein Land kann schöner sein“. Der bevorzugte Rhythmus in dieser Zeit war der Tango. Alle diese Titel gab es ausschließlich als Schellackplatten. 78 Umdrehungen, ca. 3 Minuten Spielzeit mit A + B-Seite. Da dieses Material ziemlich rar war, musste beim Kauf einer neuen Platte ein altes Exemplar abgegeben werden. Auch die damaligen „Nadeln“ gaben nach 2 – 3-maliger Nutzung den Geist auf.
Immer beliebter wurden die Heimatfilme. Rund um erfolgreiche Schlager wurde ein Film gedreht, oder aber die Filmmusik wurde zum erfolgreichen Schlager. Dazu gehörten natürlich Das alte Forsthaus; Die Fischerin vom Bodensee; Grün ist die Heide; Wenn abends die Heide träumt. Wer kennt nicht den Gassenhauer: „Oh Heideröschen, nimm Dich in Acht“.
Zu den Stars der damaligen Zeit gehörten Gerhard Wendland, der die Beine von Dolores bewunderte und der lachende Vagabund Fred Bertelmann. Aber auch Peter Alexander war schon erfolgreich. Bei seinem Song „Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere“ klang schon eine gewisse Sozialkritik durch.
Natürlich gab es auch damals schon Frauenpower. Catarina Valente coverte „Island in the Sun“, den Welterfolg von Harry Belafonte. Sie landete mit „Wo meine Sonne scheint“ ebenfalls einen Riesenhit.
Die Schweizerin Lys Assia war ebenfalls mit einer Coverversion sehr erfolgreich. „Was kann schöner sein“ (im Original Que sera, sera von Doris Day), Oh mein Papa, und Egon, Egon, Egon (ich hab ja nur aus Liebe zu dir) landeten in den Charts ganz oben.
Mit „Mutti, du darfst doch nicht weinen“ etablierte Margot Esken das Muttertagslied überhaupt. Wir hören es heute immer noch.
Alle diese Titel wurden von Diethelm angespielt und die Besucher stimmten laut und gerne ein. Die Textsicherheit war schon erstaunlich.
Zwischendurch gab es immer wieder Informationen zum geschichtlichen Hintergrund. Unter der Überschrift Recht und Moral wurden unter Anderem Begriffe wie:
Der Kuppelparagraph, das Kranzgeld, die Schlüsselgewalt und der § 175 (wurde erst 1990 abgeschafft) waren Themen, die in der guten alten Zeit heiß diskutiert wurden.
Die Fotos der damaligen Mobilität riefen schöne Erinnerungen wach. Bilder der NSU Quickly, des VW Käfers (mit geteilter Scheibe), eines Borgward Isabellas und einer BMW Isetta ließen die Herzen höher schlagen.
Ein Bild der Wurlitzer Jukeboxes versetzte viele in die Zeiten „Milchbars“ zurück. In Mengede war das die Schwemme im alten Rabeneck. Mit einem Groschen konnte hier jeder seine Lieblingsplatten wählen und auch ein wenig kuscheln.
Beliebt war auch die Cowboy Romantik. „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“ der niederländischen Band Kilima Hawaiians war der erste Nr.: 1 Hit der Nachkriegszeit. Er wurde später von Bruce Low nachgesungen, der auch mit “Tabak und Rum“ einen Hit hatte. Das war die Coverversion des Titelliedes aus dem Film „12 Uhr mittags“.
1956 betrat auch schon Freddy Quinn die Schlagerbühne. Seine ersten Aufnahmen „ Sie hieß Mary Ann“ und „Schön war die Zeit“ katapultierten ihn gleich an die Spitze der Hitparade.
In der Sparte „Humor“ glänzte natürlich Heinz Erhard (Linkes Auge blau, rechtes Auge blau“) und Hans Arno Simon mit „Anneliese, ach Anneliese, warum bist du böse auf mich“.
Jetzt war es Zeit für eine Getränke- und Raucherpause. Jürgen Karlshaus bedankte sich bei den zahlreichen Helfern, die das Maibaumfest mitgestaltet haben. Ein besonderer Dank in Form von Blumen ging an Ingrid Westphal und Monika Zbikowski, die während des gesamten Festes die durstigen Kehlen am Bierstand versorgt haben.
Nach einer kurzen Erholung setzte Diethelm seinen Vortrag fort. Vinyl hatte Schellack abgelöst und damit änderten sich die Umdrehungszahlen der Plattenteller. 45 bei Singles, 33 bei Langspielplatten. Musiktruhen mit Radio und Plattenspielern inclusive 10-er Wechsler waren groß im Kommen und beliebte Möbelstücke geworden. Einige Radios hatten eine gesonderte „Radio Luxemburg Taste“. So konnte man am Sonntag direkt die beliebte Hitparade mit Camillo Felgen (später Frank Elstner) hören. „Ich hab Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren“ von Camillo Felgen wurde dank Radio Luxemburg ein Titel, der auch heute noch immer wieder gerne gespielt wird.
Einer der wichtigsten Preise im deutschen Schlager war ab 1959 der Löwe von Radio Luxemburg. Die Löwenverleihung war in jedem Jahr ein Höhepunkt. Fast alle Größen sind unter den Preisträgern vertreten. Fred Bertelmann, Cornelia Froboess, Peter Kraus, Gus Backus und Lale Anderson bekamen diese Auszeichnung. Erfolgreichster Interpret war aber Freddy Quinn mit acht goldenen, zwei silbernen, drei bronzenen Löwen sowie einem Ehrenlöwen für sein Lebenswerk.
Zum Ausklang des Jahrzehnts kam dann der Rock n Roll nach Deutschland. Diese Sparte wurde von einigen deutschen Stars gut abgedeckt. Peter Kraus war unser Elvis (Tutti Frutti). Aber auch Ted Herold (Ich bin ein Wanderer), Benny Qick aus Essen (Motorbiene) und Dany Man (Sexy Hexy) waren erfolgreiche Rock n Roller.
Beliebt war auch die „Maritime Welle“. Lale Anderson, bereits bekannt durch Lili Marleen von Hans Leip, überzeugte mit „Ein Schiff wird kommen“. Lolita sang „Seemann lass das Träumen“, Richard Germer war jahrelang einer der populärsten Hamburger Musiker der in der Haifischbar residierte.
Der größte war aber „Freddy“, der Seemann aus Wien. Das bekannteste seiner vielen Lieder ist natürlich „Junge komm bald wieder“.
Ein Höhepunkt war einmal im Jahr der „Grand Prix de Eurovision de la Chanson“, der heutige Eurovision Song Contest. Erste Gewinnerin war 1956 die bereits erwähnte Schweizer Schlagersängerin Lys Assia. Deutsche Starter waren 1959 Alice und Ellen Kessler (Heute Abend wollen wir tanzen gehen); 1961 Lale Anderson (Einmal sehen wir uns wieder); 1962 Conny Froboess (Zwei kleine Italiener); 1963 Heidi Brühl (Marcel);
Dann kam eine Zeitenwende. Bundeskanzler Willy Brandt startete mit einem symbolischen Knopfdruck 1967 das Farbfernsehen. So konnte die Deutsche Hitparade mit Dieter Thomas Heck ab 1969 „bunt“ gesehen werden. Sie war das Flaggschiff des deutschen Schlagers.
Auch die beliebten „Winnetou Filme“ (Teil 1 aus 1963) mit der Musik von Martin Böttcher kamen mit ihren eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen voll zur Geltung.
Einige Schlager ritten auf dieser Wild-West-Welle mit.
Ronny besang sein „Darling Caroline“ und Gus Backus den “ alten Häuptling der Indianer“. Bobbejaan, ein belgischer Sänger und Entertainer, war mit dem Titel „Ich steh an der Bar und habe kein Geld“ sehr erfolgreich.
Als Gastarbeiter platzierte der ehemalige GI Bill Ramsey einige „Spaßohrwürmer“ ganz hoch in der Hitparade. „Souvenirs, Souvenirs“; „Pigalle“; „Zuckerpuppe“ und „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ erklangen aus den Boxen und Radios. Zu Hause war Ramsey aber im Jazz.
Zum Ausklang stellte Diethelm die Traumpaare dieses Schlagerzeitalters vor. Das waren natürlich Cornelia Froboess & Peter Kraus (Wenn die Conny mit dem Peter) sowie Gitte Henning & Rex Gildo (Vom Stadtpark die Laternen).
Eine besondere Spezies stellten singende Sportler dar. Viele Sportarten waren vertreten. Über die Gesangsqualität konnte trefflich gestritten werden.
Für die Leichtathleten traten Charly Kaufmann (400m) und Martin Lauer (110m Hürden) an. Eiskunstläuferin Marika Kilius sang im Solo und mit ihrem Partner Hans-Jürgen Bäumler im Duett. Fußballkaiser Franz Beckenbauer sang „Gute Freunde kann niemand trennen“ und Petar „Radi“ Radencovic machte sich zum König. Die Boxer Bubi Scholz und Peter Müller, Spitzname der Aap, versuchten es ebenfalls mit der leichten Muse.
Nach gut zwei Stunden beendete Diethelm Textoris seinen Vortrag, den er in gewohnt lockerer Form herübergebracht hat. Neben den vielen Informationen zum geschichtlichen Hintergrund wurden die vielen musikalischen Einspielungen dankbar angenommen und von vielen mitgesungen. Das war mal wieder eine runde Sache und die gut dreißig Besucher des Stammtisches bedankten sich mit lang anhaltendem Applaus bei unserem Referenten. Die obligatorische Flasche Remigiustropfen stiftete Diethelm für den nächsten Wandertag. Auch diese Aktion fand große Zustimmung.
Danach wurde natürlich noch bei dem einen oder anderen Kaltgetränk in Erinnerungen geschwelgt, die die alten Ohrwürmer wachgerufen hatten.
Text und Fotos Franz-Josef Fedrau