Persönliche Eindrücke bei den „Musikalischen Erinnerungen“ aus dem Studio Heimathaus
Den Titel „Erinnerungen“ hatten wir bewusst gewählt. Wollten wir doch an unsere früheren musikalische Aufführungen im Heimathaus erinnern. Mit „New York“ an das große Frank Sinatra Konzert, mit dem „Koffer in Berlin“ und der „Schönen blauen Donau“ an unsere Konzertreihe über Großstädte, mit „Lili Marleen“ an den Vortrag „Leichte Muse in schweren Zeiten“ und mit „Don’t Cry for me Argentina“ an unseren Amerika Zyklus. Wir erinnerten uns an das stets rappelvolle Heimathaus, an „Publikumsauslagerungen“ in das Gesellschaftszimmer und an ein begeisterungsfähiges Publikum, das mitklatschte, mitsang und auch noch kleinere Patzer mit Applaus bedachte.
All das fiel in Corona Zeiten weg. Auch jetzt waren wir noch vorsichtig und wollten keine Zuhörer*innen in die Enge des Heimathauses einladen und so evtl. zum Super-Spreader in unserem beschaulichen Mengede werden. Um den Kontakt zum Publikum trotzdem aufrecht zu erhalten, entschieden wir uns für ein Online-Konzert. Das war jetzt Dank einer großzügigen Zuwendung der Sparkasse Dortmund technisch möglich. Wichtig war es uns aber, dass dieses Ereignis live übertragen wurde, sich damit von einer eingestellten Konserve abhob. Die Eindrücke waren bei Akteuren und sicher auch beim Publikum andere als bei einer Präsenz-Veranstaltung. Doch sie waren durchaus positiv und zeigten auch neue, erweiterte Möglichkeiten auf.
Ohne Probe läuft gar nichts
Damit am Aufführungstag alles möglichst störungsfrei ablief, hatte Cheftechniker Peter Jürgens kompromisslos auf einer Probe am Vortag bestanden, die sich im Nachhinein auch als äußerst notwendig erwies, obwohl, oder gerade weil sie sich über mehrere Stunden hinzog. Da mussten Beleuchtungen eingestellt, Mikrofone erprobt und ausgerichtet werden, Lautstärken ausgesteuert, Störgeräusche beseitigt und Kabel ausgetauscht werden. Ich musste lernen, die Hintergrundbilder zeitgenau einzuspielen. Die Musikstücke wurden durchgespielt, die beiden besonderen musikalischen Herausforderungen „Music“ und „Piano Man“ gleich mehrfach, bis die selbstkritischen Solisten Elisabeth Reinink und Hans-Ulrich Peuser einigermaßen zufrieden waren.
Vorbereitungen und Einstellungsproben auch noch kurz vor Beginn des Konzerts. Pünktlich um 19.00 Uhr dann das bekannte Läuten und los geht’s. Hans-Ulrich wendet sich direkt an die Zuschauerinnen und Zuschauer an ihren Handys, Laptops, Fernsehern und Computerbildschirmen. Dann geht er zurück zum Klavier, schlägt die ersten Töne von“ Music“ an und Elisabeth stimmt mit ihrer Geige ein. Sie hat in der Aufregung allerdings vergessen, den Bogen nochmal zu spannen. Doch sie kann es überspielen. Hans-Ulrich ist in seinem Element und spielt seine Solo-Partien voll aus. Nach dieser mehr als fünf Minuten langen Ouvertüre ein dreifaches Aufatmen. Das Ergebnis konnte sich sehen bzw. hören lassen. Es hat sich gelohnt, dass wir gerade dieses Stück als Ouvertüre ausgewählt und dazu ungekürzt präsentiert haben.
Gerührt vom eigenen Pathos
Dann kommt mein erster Einsatz als Moderator. Es ist schon ungewohnt, sich an ein Publikum zu wenden, das man nicht vor sich sieht, sondern sich hinter drei Kameras vorstellen muss. Peters Apell im Hinterkopf, in die Kamera zu sehen und ins Mikrofon zu sprechen, nicht rumzuhampeln und zur Orientierung auf den Monitor und nicht auf die Leinwand zu sehen. Dann mein Chanson-Vortrag mit der Ode an Berlin und auf Marlene Dietrich. Ein kleiner textlicher Patzer, den wahrscheinlich aber nur Kenner des Berlins früherer Zeiten merken. Dann kann ich mich nach kürzeren Zwischenansagen zurückziehen, d.h. wegen des sich nach langem Stehen meldenden Rückens an die Wand lehnen und den Instrumentalsolisten das Feld überlassen. Mit ihnen besuchen wir die blaue Donau, das Tulpenland Holland und das sagenhaft verklärte Norwegen Peer Gynts. Dann wieder ein gesangliches Solo für mich, „Nimm mich mit Kapitän auf die Reise“, schmalz-triefend gefüllt mit Fern- und Heimweh gleichzeitig. Nach der äußerlichen Sicherheit gewinne ich zunehmend auch eine innere zurück, habe mich auf fehlende Zuhörerreaktionen und ausbleibendem Applaus eingestellt. Trotzdem muss ich im Nachhinein gestehen, dass ich manchmal bewegt vom eigenen Pathos in der Ansage mit der Rührung kämpfen musste. Besonders bei der Würdigung des unter die Haut gehenden Gesangs vor Elisabeths bei „Don’t cry for me Argentina“ oder bei Beschreibung der Wirkung von Lale Andersens Lili Marleen, die ein Stückchen Menschlichkeit in einen unmenschlichen Krieg brachte. Zum Schluss dann noch „Sag beim Abschied leise Servus“ und die Hoffnung, dass es nicht beim Servus bleibt, sondern schon bald ein persönliches Wiedersehen bei einem Live-Konzert im Heimathaus geben wird.
Positive Rückmeldungen auf digitalem Weg
Auch ohne spontane Publikumsreaktionen in Form von Applaus erhielten wir viele positive Rückmeldungen auf digitalem Wege. „Das war eine nette musikalische Unterhaltung am frühen Abend, sehr kurzweilig. Da habt ihr in Mengede eine tolle Einrichtung geschaffen“, schrieb Angela aus Lünen. „Sehr schöne und tolle Leistung von euch Dreien“ urteilten Renate und Klaus aus Westerfilde. „Wir haben mitgesungen und hatten zeitweise auch eine Gänsehaut“, meinten Heimatvereinsmitglieder Rita und Klaus.
Diethelm Textoris