„Quo Vadis“ Europa, das war die Frage, die sich beim Stammtisch im Heimathaus den gut 30 Besuchern stellte.
Rainer Frickhöfer, ehemaliger Rechtsanwalt und Notar aus Mengede, der inzwischen in Waltrop lebt, versuchte diese Frage zu beantworten. Er ist seit 2004 Vizepräsident der Auslandsgesellschaft NRW und stellvertretender Vorsitzender der Europa- Union Nordrhein- Westfalen.
Bereits im April 2016 war er mit dem Thema „Warum brauchen wir Europa?“ Gast im Heimathaus. Seine eindeutige Antwort damals lautete „Ja!“, – Europa ginge es nicht so gut, wenn es vor allem wirtschaftlich nicht zusammengefunden hätte. Frieden Wohlstand und Freiheit sind erreicht und gesichert worden. Daran ändert auch die aus der Finanzkrise 2007 hervorgegangene Eurokrise nichts. Als herausragendes Ereignis dieses Staatenbündnisses hob er damals die Einführung einer gemeinsamen Währung, dem Euro, hervor. Der Höhepunkt war sicherlich die Zuerkennung des Friedensnobelpreises 2012.
Doch die aktuelle Situation hat sich verändert. Am 23. Juni 2016 stimmten bei einer Volksabstimmung 51,89 % der Wähler für einen Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union. Damit verliert die Gemeinschaft die zweitgrößte Volkswirtschaft (nach Deutschland). Der offizielle Austrittstermin ist der 30. März 2019, und die Verhandlungen verlaufen mehr als schleppend. Die Tatsache, dass es weder im Unterhaus noch in der konservativen Regierung eine einheitliche Meinung gibt, erschwert die Situation zusätzlich. Noch zahlt Großbritannien und hat auch die Bereitschaft erklärt, seinen Verpflichtungen zwei Jahre nach dem Austritt nachzukommen, doch wie es Weitergeht ist ungeklärt. Einige Mitgliedsländer haben schon jetzt erklärt, künftig keinen „Cent“ mehrzahlen zu wollen.
Aber nicht nur der BREXIT erschwert das Zusammenleben in der EU, sondern auch die immer größer werdende EU- Kritik, die sich in den Wahlergebnissen wiederspiegelt.
So regiert seit dem 1. Juni 2018 in Italien eine Koalitionsregierung aus der 5-Sterne Bewegung und der Lega, die die Stabilitätskriterien der EU anzweifelt und im Rahmen der Flüchtlingspolitik die italienischen Häfen nicht nur für ausländische Hilfsschiffe sperrt. Im Europaparlament hat sich die 5- Sterne Bewegung mit der UKIP (Partei für die Unabhängigkeit des vereinigten Königreiches) und die Lega mit der Front National (Frankreich) von Marine Le Pen verbunden.
Auch in Polen (PiS Partei), Ungarn (Fidesz Partei) und Österreich (Freiheitliche Partei) sind EU- skeptische, oft rechtspopulistische Parteien mit in der Regierungsverantwortung, die speziell in der Flüchtlingskrise eine einheitliche europäische Linie verhindern und gegen die demokratischen Werte der EU verstoßen. Gegen Polen wurde bereits im Dezember 2017 ein Rechtsstaatsverfahren eingeleitet, Ungarn muss damit im Laufe des Monats rechnen. Die Zunahme der Flüchtlinge ab 2014 wurde als „Krise“ eingestuft, als die Zahlen der Asylbewerber von 627.000 (2014) auf über 1.300.000 (2015) und 1.260.000 (2016) stiegen, bevor sie 2017 auf rund 650.000 zurückgingen.
Auch die Wahl in Schweden, das innerhalb der EU in Relation zur Bevölkerung die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat, verstärkte diesen Eindruck noch einmal. Zwar blieben die rechtspopulistischen Schwedendemokraten am vergangenen Sonntag mit 17,6 % weit hinter den Prognosen zurück, aber da keine eindeutige Mehrheit erzielt wurde, wird die Bildung einer neuen stabilen Regierung äußerst schwierig.
„Quo Vadis EU?“ – die Richtung wird sicher bei den Wahlen zum europäischen Parlament im Mai 2019 vorgegeben.
Es steht zu befürchten, dass dann nationalkonservative, EU- skeptische Parteien nicht unerhebliche Stimmenzuwächse erzielen werden. Ein Grund dafür ist auch das mangelnde Interesse an Europa in der Bevölkerung, die zu einer stetig sinkenden Wahlbeteiligung bei den Europawahlen führte. Von knapp 62 % bei der ersten EU Wahl 1979 fiel die Wahlbeteiligung bei der letzten Wahl auf 43 %.
Aus diesem Grunde sei es laut Frickhöfer wichtig, den europäischen Gedanken bei Bürgern und Staaten zu vertiefen und zu erneuern. Trotz dieser schwierigen Situation, in der sich die Europäische Union derzeit befindet, befürchtet er nicht ein Scheitern der Gemeinschaft.
Zum Abschluss des Stammtisches, nachdem noch einige Fragen aus dem Plenum beantwortet worden waren, bedankte sich Hans-Ulrich Peuser beim Referenten für diesen höchst interessanten Vortrag mit einer Flasche Emscherperle.