Eröffnungsansprache von Ingo von Stillfried  – Ein Abriss durch 20.000 Jahre Kartengeschichte !

Sehr geehrte Festgesellschaft,

einen Abriss zu 20.000 Jahre Kartographie in etwa 2.000 Sekunden? Mal schauen, ich will’s versuchen. Ein Vortrag zu einem kartographischen Thema ohne Einsatz eines Präsentationsmediums wie PC oder Dias ? Ich habe heute auf sicherlich mögliche sehr beeindruckende Bilder von historischen Karten verzichtet, dieses können sie gleich im Nachbarraum genügend betrachten und auch anfassen, drin blättern und darüber diskutieren.

Jeder von ihnen weiß, was eine Karte ist.

Jeder von ihnen hat solche in der Hand gehabt, ob als einzelnes Blatt oder gebunden als Atlas oder in Tageszeitungen, Wanderführer, Schulbuch oder oder. Ich bin mir sicher, dass jeder von ihnen ein anderes inneres Bild von Karte hat, wenn sie gerade nicht dieses Ding ‚Karte‘ unmittelbar vor Augen haben. Dieses Bild ist geprägt von eigenen Erfahrungen, von selbst erlebten Geschichten, vom täglichen Leben, welches bei jedem von uns anders aussieht.

Ich möchte versuchen, die Imagination ihrer persönlichen Karte mit Worten anzusprechen. Jetzt zu diesem Zeitpunkt möchte ich ihnen nicht von MEINER Karte vortragen. Ich werde gleich von vielen kartographischen Darstellungen berichten. In IHRER eigenen Vorstellung erscheint möglicherweise dann IHR e

igenes Kartenbild, ein persönliches kartographisches Kopfkino.

Karten ! “ Skatkarte, Fahrkarte, Postkarte, Lebenskarte, Speisekarte, Visitenkarte, Checkkarte, Eintrittskarte, historische Karte,  Landkarte, Seekarte, Sternkarte, Stadtkarte, Wanderkarte, Radwegekarte, Straßenkarte, Luftverkehrskarte, Schienenwegnetzkarte“

Katasterkarte, Geologische Karte, Hydrologische Karte ! … usw. usw. usw.

Ich könnte diese Aufzählung sicherlich noch endlos weiterführen und wenn der neue Tag anbricht, hätte ich sicherlich noch nicht alles gesagt. Es gibt so viele verschiedene Karten wie es Ideen von Menschen gibt. Die Themen, die auf und mit Karten dargestellt werden, sind endlos.

Karte – 5 Buchstaben endlos kombiniert mit anderen Worten. Doch eines dabei ist immer gleich: es soll eine ungesprochene Information weitergegeben werden.

Bei Viisiten- oder Eintrittskarten ist diese Informationsweitergabe einfach. Bei einer Kombination mit Worten wie Land-, See-, Stern- usw. ist das mit der Informationsweitergabe schon etwas komplizierter. Der eine Mensch weiß etwas, was er einem anderen Menschen auch weitergeben möchte. Es lässt sich aber a) nicht in zwei Worten oder Sätzen sagen, weil die meist auch noch komplexe Information zu einem Raum, einem Gebiet, einem Lebensraum gehört. Und b) treffen die beiden Menschen nicht direkt zusammen. Also bleibt nur übrig, diese Information irgendwie mit einem Bild, einem Kartenbild zu fixieren. Das schwierige dabei ist, dass der malende, zeichnende Mensch seine persönliche Erfahrung von seinem Lebensraum auf einfache Linien so reduziert und abstrahiert, dass der andere lesende Mensch mit anderen persönlichen Erfahrungen dieses Bild fast unerläutert verstehen kann.

Eine ihnen allen sicherlich bekannte Situation als Beispiel, wie kompliziert diese intellektuelle Handlung ist:

Haben sie schon einmal die wunderschönen Gemälde kleiner Kinder betrachtet, wenn sie beschreiben wollen, wo sie wohnen, wo die nächste Eisbude ist, wo der allerschönste Spielplatz liegt mit dem voll coolen Klettergerüst und der total abgedrehten Turborutsche und wo das Wohnhaus der allerbesten Freundin oder dem tollsten Kumpel sich befindet?

Nur allzu oft schütteln da Erwachsene verständnislos den Kopf, sehen in diesem scheinbaren Gekritzel von Bleistift, Filzstift und oder Wachsmalern nichts, aber auch gar nichts, was mit ihrer eigenen inneren Landkarte im Kopf übereinstimmt. Höflich sagen sie dem begeisterten und stolzen Kind, das vielleicht erstmalig seine Raumvorstellung zu Papier gebracht hat, dass es ein schönes Bild sei, vielleicht hier und da noch etwas mehr der blaue oder grüne oder rote Stift verwendet werden sollte und vielleicht auch mal gerade Linien und runde Kurven ganz schön wären. Der Erwachsene wundert sich, wendet sich und geht.

Sie merken vielleicht an diesem kleinen Beispiel, wie kompliziert dieser Prozess ist, Information über das Zeichnen einer Karte von einer Person, hier dem Kind mit der ihm eigenen Sicht auf seine Welt, und wieder Lesen dieser Karte auf eine andere Person, hier dem Erwachsenen mit einer völlig anderen Sicht auf eben seine Welt, auch konfliktfrei zu übertragen.

Dieser schwierige erste Schritt, die gedankliche, zunächst virtuelle, für den Denkenden aber sehr konkrete Vorstellung einer Raumwahrnehmung derart auf abstrakte Linien zu reduzieren und dabei gleichzeitig auch nur die wirklich wesentlichen Strukturen dieses Raumes, eines Gebietes, einer Landschaft herauszufiltern und dann aufzuzeichnen, dieser erste schwierige Schritt ist wahrscheinlich schon vor fast 20.000 Jahren von Menschen gemacht worden.

Das ist eine sehr lange Zeit bevor Schriftzeichen oder gar eine Schrift erfunden wurde. Ja, Landkarten sind weit vor der Schrift entstanden. Dabei können wir nur von den Zeichnungen sprechen, die diese Zeit überdauert haben. Von den Landkarten, die die Urmenschen beim Palaver am Lagerfeuer vor der Höhle mit einen Stock oder dem Finger in den Sand gezeichnet haben, wissen wir nichts. Vorstellen kann man es sich aber ganz gut.

Sie haben vielleicht schon von den unwahrscheinlich realistischen Felsmalereien in den Höhlen von Lascaux in Südfrankreich gehört. Diese Felsmalereien werden auf etwa 17.000 vor Chr. datiert. Allerlei Getier ist dort zu sehen, einzelne und in Gruppen. Gruppen von nur einer Tierart und auch gemischte Gruppen mehrerer Tierarten sind mit bunten Farben an die Höhlenwände gemalt. Die Tiere stehen aufrecht oder sind gedreht, mehrere auch in Bögen angeordnet. Auch Menschen stehen, liegen, laufen dort mit und ohne Bogen oder anderen Dingen. Es ist schon sehr faszinierend, dieses heute anzuschauen.

In den Felsen sind allerdings auch gegenstandslose Linien gezeichnet. Für uns Menschen heute werden diese erst einmal nur als solche wahrgenommen. Sie kreuzen Tiere, sind am Rand von Herde usw. Auch sind die Tierbilder und Menschendarstellungen oft irgendwie nach etwas unbekanntem ausgerichtet. Figurenachsen schneiden sich in einem Zentrum, Figuren bilden Bögen, Linien oder Flächen. Die Bedeutung dieser doch auffälligen Anordnung ist noch nicht abschließend interpretiert.

Eine Hypothese ist: Könnte es sich dabei nicht gewissermaßen um eine Landkarte handeln, mit der die Information weitergegeben werden soll, wo sich die besten Jagdgründe befinden? Wo sind reine Bisonherden zu finden oder Gazellen? Wo leben viele jagdbare Tiere, von allem etwas? Wo lohnt es sich nicht, auf die Pirsch zu gehen? Ich erinnere an die eben erläuterte Beobachtung bei Kindern. Wir kennen die Raumwahrnehmung der damaligen Menschen nicht, wir kennen nur unsere und ahnen höchstens, dass diese nicht denkungsgleich sein könnten. Wir ahnen nur, dass diese Bilder uns mehr sagen sollen, als die bloße Darstellung verschiedener Tiere.

Bei den Ausgrabungen in Uruk, eine Megacity mit Hochkultur in Mesopotamien, datiert auf etwa 4.000 vor Chr. hat man Fragmente von Tafeln mit Ritzmustern gefunden, deren Bedeutung ebenso ungeklärt ist. Würde man mehrere zusammenhängende finden, wäre die Möglichkeit recht groß, diese Linien vielleicht als Stadtplan interpretieren zu können. Unwahrscheinlich ist es nicht.

Im benachbarten Ort Nippur ist das älteste erhaltene Längenmaß, die sog. Nippurelle gefunden worden, datiert auf etwa 2.800 v.Chr. Das deutet daraufhin, dass vermessungstechnisches Wissen vorhanden gewesen sein könnte. Im gleichen Ort ist eine Tonscherbe, datiert auf mindestens 1500 v.Chr., gefunden worden, die eineindeutig den Stadtplan von Nippur darstellt. Nun ist klar, dass hier frühe Kartographen am Werke waren, die bereits die Abstraktion eines Raumes in der Art vornehmen konnten, dass wir Menschen 3500 Jahre später sie verstehen können.

Aus dem 2.Jh. v.Chr. ist ein beschrifteter Stadtplan von Rom überliefert, der bereits Straßennamen und Häuserpositionen aufzeigt. Große Ähnlichkeiten in der Systematik der damaligen Kartierung zu heutigen Stadtplänen sind nicht zu übersehen.

Mit der Tabula Peutingeriana ist etwa im 4.Jh. nach Chr. ein komplettes Wege- und Reisezeitenverzeichnis in kartenähnlicher Form für das Römische Reich erstellt worden. Ein Kartenwerk für einen sehr großen Raum ist entstanden, versehen mit den wichtigsten Reiseinformationen und Hinweisen zu allerlei Hindernissen.

Mit der allerersten Wanderkarte von Erhard Etzlaub aus dem Jahre 1500 konnten die Pilgerer nach Rom genau ablesen, wieviel Tagesetappen es bis zum Ziel noch sind, wo wichtige Städte –sprich gute Unterkunftmöglichkeiten-  und Flußbrücken zu finden waren, wo Gebirge und andere Hindernisse überwunden werden mussten. Hier wurde wegen der vielfältigen Information erstmalig von Signaturen Gebrauch gemacht. Brauchen sie heute andere Informationen auf Wanderkarten?

1564 hat Gerhard Mercator die erste navigationsfähige Seekarte geschaffen. Die von ihm entdeckte Projektion der 3dimensionalen Erdoberfläche auf ein ebenes, 2dimensionales Stück Papier ist auch heute noch für die Navigation mit modernen GPS-Verfahren essentiell wichtig. Alle Seekarten und Luftverkehrskarten sind in dieser Mercatorprojektion gehalten. Und vieles mehr … Nach 450 Jahren immer noch!

Das mittelalterliche Steuersystem beruhte auf Abgaben des Lehensnehmers – meist Bauern – an den Lehensgeber – meist dem örtlichen Grafen oder Herzog oder Kloster – nach dem 10.Teil des Ertrages landwirtschaftlicher Produkte. Straßenname und Haltestelle der U43 in Körne „Am Zehnthof“ zeugen davon. Die Veränderung dieses Steuersystems auf eine Besteuerung nach Flächengröße führte letztlich zur flächendeckenden Erfassung aller – auch städtischer und dörflicher Grundstücksgrößen in Form eines entsprechenden Nachweises, dem heutigen Liegenschaftskataster. Kopien der Karten der Katasterurvermessung für den Stadtbezirk aus den Jahren um 1826/27 sind hier in der Ausstellung zu sehen.

Karten übermitteln Informationen.    Karten speichern Informationen.  Karten sind vielseitig und flexibel einsetzbar!

Der Krieg ist die Mutter vieler Erfindungen. Das war und ist heute immer noch so! Napoleon hat den Wert von genauen Landkarten für eine exakte Planung von Zugwegen seiner Heere und Kampfplätzen sehr früh erkannt. So ließ er unter Leitung des Ingenieurtopographen Tranchot ab 1800 eine genaue Kartierung der französischen, linksrheinischen Gebiete im Maßstab 1:25.000 herstellen.

Der preußische Generalstab zog 1815 nach und beauftragte von Müffling, gleiches für das preußische Königreich zu erstellen. Jeder Offizier, der im preußischen Generalstab arbeitete bzw. arbeiten wollte, musste mindestens eine solche Karte anfertigen. Im Bereich des heutigen Ruhrgebietes ist dieses um 1835 geschehen. Ich lade sie ein, aufmerksam einmal den nördlichen Teil des heutigen Ruhrgebietes zwischen Mengede und Rhein auf 170 Jahre alten Karten zu erwandern.

Ich meine das Erwandern wörtlich! In einer Raum-Ecke steht das dazu verwendete vermessungstechnische Instrumentarium: ein Messtisch mit einer Kippregel. Da taucht auch schon ein neuer Begriff auf: Sie haben sicherlich schon einmal den Begriff „Messtischblatt“ gehört. Damit ist genau so eine Karte gemeint, die in den Abmessungen auf diese Tischgröße passt und einen Maßstab von 1:25.000 verwendet.

Diese Karte aus der Zeit um 1835 zeigt im Prinzip unsere Region vor Beginn der Industrialisierung. Da die Veränderungsraten damals eigentlich eher ziemlich gering waren, kann man auch durchaus sagen: das ist das Abbild der mittelalterlichen Struktur unseres Raumes. In weiteren Kartenausschnitten zu verschiedenen Zeitpunkten 1890, 1935, 1965, 2008 ist die doch sehr starke Veränderung der Region, hier des Stadtbezirkes zu sehen. Es gibt hierzu noch viele weitere Karten in sehr unterschiedlichen Maßstäben zu sehen, die zur besseren Vergleichbarkeit – so weit sinnvoll – auf einen einheitlichen Maßstab 1:15.000 vergrößert bzw. verkleinert wurden.

Karten sind Zeitzeugen!   Karten sind Dokumente! Karten zeigen die Raumwahrnehmung zum Zeitpunkt der Erstellung!

Mehrere Fachworte sind eben gefallen, die ich noch einmal im Zusammenhang aufzählen möchte, um auf ein weiteres Thema zu kommen.

–          Da ist der Topograph, der die Landschaft sieht, die kartiert werden soll. Er wählt aus, was zu kartieren ist: welche Kirche, welcher Weg, welches Gewässer, welcher Hügel oder Berg, schlicht welches landschaftliche Objekt, welches seiner Meinung nach in diesem Raum wichtig ist.

–          Die topografische Vermessung ermittelt die Messwerte und letztendlich die Koordinaten eines jeden Objektes.

–          Diese werden zusammen mit einer Skizze des Topographen von einem Kartographen auf Papier gebracht. Mit Zirkel, Lineal, Stechlupe und allerhand anderen Dingen entsteht eine hochgenaue Karte (sie können das gleich nebenan anschauen). Der Kartograph entwirft auch den Zeichenschlüssel und die Legende, also die Beschreibung zur richtigen Interpretation des Kartenbildes.

–          Der Kartenleser kann dann anhand der Legende die Kartenzeichen (hoffentlich) richtig deuten, die gemeinten Objekt in der Landschaft identifizieren und sich so zurecht finden, sich orientieren.

Ein Kreislauf. Und zudem auch noch hochgenau und sehr objektiv! Das ist das, was wir kennen und heute von Karten erwarten.  Das mit der unantastbaren, ich möchte fast sagen naturgegebenen Objektivität von Karten war aber nicht immer so und ist auch heute nicht so!

Auf Karten wurde schon immer gefälscht, was das Zeug hielt! Oder etwas moderater – es wurden schon immer Objekte hinzugefügt oder weg­gelassen, um den Kartenleser zu verwirren oder Objekte größer oder kleiner gemacht, um bestimmte Aussagen zu suggerieren. Es wurden Objekten bestimmte Farben gegeben, die eine unterschwellige Aussage, Stimmung, Manipulation erzeugen sollen.

Seekarten in der Renaissance waren Staatsgeheimnisse. Die Weitergabe an andere Nationen war unter Todesstrafe gestellt. Da man aber einen Schmuggel nicht gänzlich verhindern konnte, wurden z.B. von seefahrenden und Seehandel treibenden Staaten wie Portugiesen oder Spaniern gefälscht Karten angefertigt, nicht zuletzt um ihre Handelsseewege, Handelsziele, Einflußbereiche vermeintlich zu schützen.

Ein Beispiel: aus möglicherweise iberischer Quelle bekam Gerhard Mercator die Information, dass die Insel Frisland – möglicherweise von den Iberern als das sagenumwobene Atlantis mit all seinen unermeßlichem Wohlstand und riesigen Schätzen vorsätzlich falsch gemeint– sich im Nordatlantik südwestlich von Island befand, aber aufgrund des Golfstroms und der vorherrschenden Windrichtung man von Europa mit einem Segelschiff nicht dorthin kam. Mercator glaubte dieser Information und trug sie in seine Weltkarte ein. Ja, Karten sind objektiv, Mercators Autorität als Kartograph war unantastbar. Kartographen nach ihm haben diese Geschichte geglaubt und über 200 Jahre nach Mercators Tod sind immer noch Karten abgekupfert worden mit dieser falschen Information, die Seefahrer in die Irre führen sollten – iberische Interessen lagen ja woanders.

Die Befestigungsanlagen von Städten sollten vor kriegerischen Angriffen schützen. In sehr krasses Beispiel gibt eine kartenbildliche Darstellung der alten Befestigungsanlagen einer Stadt in der Nähe. Auf den Maßstab umgerechnet wäre eine Anlage von knapp 20km Durchmesser mit mehreren Wall und Graben Staffeln vorzufinden gewesen. Das sollte potentielle Angreifer schon im Plan abhalten, der Stadt zu nahe zu kommen.

Aber wir brauchen gar nicht so weit in die Vergangenheit zurückzublicken. Noch vor gut 25 Jahren wurden in der Bundesrepublik mit amtlicher, staatlicher Absegnung und auf militärisches Geheiß Karten sogar in großem Stile ge- oder verfälscht. Suchen sie mal auf einer Karte oder sogar einem Luftbild von etwa 1980 oder 1970 eine Kaserne oder einen Truppenübungsplatz. Wald, Sumpf, Acker werden sie finden.

Nach der Grenzöffnung der DDR gab es immer wieder Berichte von Autofahrern, die versuchten, im grenznahen Gebiet mit DDR-Karten zurecht zu kommen und  –  in die Irre fuhren. Ich selbst habe im April 1990 bei eine Reise durch Mecklenburg zur Orientierung ein topographische Karte aus dem Jahre 1939 verwendet und fand mich hervorragend zurecht. Die Kartenfälschungen sollten natürlich potentielle Flüchtlinge behindern.

Und was hat die ganze Geheimniskrämerei genutzt? Nichts, rein gar nichts! Schauen sie sich selbst einmal ein Ausschnitt aus einem Dortmunder Stadtplan an aus dem Jahre 1981 mit letztem Fortführungsstand 1986, hergestellt vom KGB, beschriftet in kyrillisch. Er liegt dort in der Ausstellung. Die Zahlen dort auf Industriegebäuden führen zu einer Prioritätenliste, welches Objekt vorrangig oder nachrangig auszuschalten ist. 1986, Gorbatschow war schon im Kreml im Sessel und leitete die Peres­troika ein.

In einem weiteren Themenbereich kartografischer Darstellungen ist Objektivität nahezu unmöglich. – Ich sehe große Fragezeichen in ihren Gesichtern! Ja, glauben sie mir: Glauben sie keiner einzigen Karten aus dem Bereich Thematische Kartografie blind! Hinterfragen sie jede einzelne ganz kritisch!   Warum ?

Zunächst einmal ist die eigentliche Kartengrundlage eine sicherlich objektive Landkarte. Das darzustellende Thema ist sicherlich auch ein nacktes Zahlenwerk und für sich auch belastbar und objektiv. Das Problem ist jedoch, wie der Kartograph das Thema darstellt. Die Formen von Signaturen sind beliebig und variabel. Diagramme sind variierbar. Linien sind beliebig formbar. Und wir alle wissen: mit Farben läßt sich hervorragend manipulieren. Helles Gelb, leuchtendes grün, azurblau, warnendes rot, düsteres braun und grau, nachtschwarz. Stimmung, Lust und Laune oder aber Angst und Ablehnung können so erzeugt werden, wie man es benötigt  –  unterschwellig! In einer Karte? Ja, was in der überall präsenten Werbung funktioniert, so wie dort ganz unverfroren mit subtilen Methoden manipuliert werden sollen, so funktioniert es auch genauso bei thematischen Karten.

Wenn sie also eine solche thematische Karte sehen, auch solche einfachen in Tageszeitungen oder in der Tagesschau, dann hinterfragen sie: „Welche Botschaft soll dort vermittelt werden?“, denn das nackte Faktum einer solchen Karte ist nur Vehikel einer vielleicht politischen oder weltanschaulichen Ansicht.

Sie merken : auch hier läßt sich eine abendfüllende Veranstaltung daraus machen. In der Ausstellung haben wir uns daher auf ganz, ganz wenige thematische Karten beschränkt. Ein Kartenpaar zeigt jedoch den gleichen Sachverhalt in zwei unterschiedlichen Darstellungsweisen. Prüfen sie sich selbst, welche Wirkung diese Karten auf sie haben. Die nackte Information dabei ist die Darstellung der bergbaulich bedingten Bodensenkung.

Natürlich dürfen zwei wesentliche Dinge hier in dieser Region, in diesem Stadtbezirk nicht vergessen werden: Das ist zum einen der Verlauf der Emscher, der Umbau zu einem Abwasserkanal und der jetzt laufende erneute Umbau in einen naturnah-ähnlichen Vorfluter. Schauen sie selbst, was dort kartographisch festgehalten wurde.

Zum anderen ist es der eben schon angerissene Bergbau mit allen seinen Betriebskarten und auch Folgen. Eine Menge Menschen unter ihnen wird sich noch aktiv an die Zeit von Zechenglocken erinnern. Eine Vielzahl von Karten- oder auch Luftbildern mag die eine oder andere Erinnerung wecken und zu unterhaltsamen Gesprächen führen. Für die anderen, die jüngeren und Zugezogenen mag es ein „böhmisches Dorf“ sein, die Kartierung der 3.Sohle, eines Hauptquerschlages, von geologischen Schichtungen und Faltungen, Grubenfeldbegrenzungen usw. zu sehen. Ich selbst bin Zugezogener und habe kein aktives Wissen dazu. Sie werden sicherlich verstehen, wenn ich zu diesem Thema ihnen nichts weiter sagen kann. Da geh ich dann lieber bei ihnen in die Lehre und gerne aufnehmender Zuhörer.

Noch ein letztes Wort zur Entstehung dieser Ausstellung.

Als der Heimatverein mir die Idee vortrug, eine solche Ausstellung mit historischen Karten für Mengede zu konzipieren, sagte ich zwar spontan JA, zumal in der zuvor von mir organisierten Ausstellung im Jahre 2012 zum 500. Geburtstag von Gerhard Mercator für den Bereich Hörde bereits ähnliches konzipiert wurde. Eine ausreichende Anzahl von Karten würde man sicherlich schon irgendwie zusammen bekommen, um daraus eine kleine Ausstellung zusammenzustellen.

Doch im Laufe der letzten Monate tauchte immer mehr Material auf. Menschen kamen auf uns zu nach dem Motto „ich habe da was gefunden“. Ich bin mir sicher, da liegen noch so manche Schätze in den Wohnzimmern, Kellern oder Dachböden.

Letztenendes war es dann nun so, dass nur ein Teil möglicher Objekte hier zu sehen sein wird. Es ist eine auf die verfügbare Ausstellungsraumgröße begrenzte Auswahl. Doch ich hoffe, diese Auswahl wird ihnen umso mehr Freude bereiten.

Und wenn sie des Betrachtens müde sind, so können sie sich diese Ausstellung auf einer DVD mit Karten, Schaubildern und Luftbildern auch mit nach hause nehmen und ihren PC daheim damit quälen. Ein kleines Begleitheft mit Kurzkommentaren zu einzelnen Objekten gibt es dazu. Ebenso können sie ein Buch zur Vermessungsgeschichte hier erwerben.

Das Wichtigste solcher heimatkundlicher Ausstellungen ist jedoch:

Kommen sie miteinander beim Betrachten einer Karte ins Gespräch.

Tauschen sie Erinnerungen aus.

Geben sie aber auch Erinnerungen weiter an die, die ihr Erlebtes bewahren und weitergeben sollen.

Denn diese, IHRE Geschichten sind zwar an Karten geknüpft, aber sie stehen nicht auf Karten oder am Kartenrand. Suchen sie die jungen Menschen, holen sie sie in diese Ausstellung. Es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit. Werben sie bei ihnen für das Wissen über ihre Heimat. Zeigen sie, dass diese Welt nicht nur aus einem 6x9cm smart-phone-flatscreen besteht, sondern sich auch auf einer Karte von 200 x 1000cm abspielt – und zwar absolut spannend und nachhaltig. Erzählen sie jungen Menschen, dass es auf Karten mehr zu entdecken gibt, dass Karten viel mehr Wissen vermitteln, als „Schackeline von’s Navi“ zu berichten weiß.

In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Besuch der Ausstellung.