Der Mengeder Saalbau

Feuerwehrgerätehaus – Turnhalle – Wohnhaus – Veranstaltungsstätte – und Restaurant

Situation um 1900
Die industrielle Entwicklung verbunden mit dem enormen Einwohnerzuwachs im heutigen Stadtbezirk Mengede zum Ende des 19. Jahrhunderts erforderte von der Gemeinde umfangreiche Baumaßnahmen, da Räumlichkeiten zur Unterbringung der Gerätschaften der gemeindeeigenen Betriebe fehlten.
So lag das Feuerwehrgerätehaus damals außerhalb der Ortschaft im Bereich der heutigen Spinnen-Kreisverkehre. Die „Magirusleiter“ der Feuerwehr (erstes motorgetriebenes Leiterfahrzeug, 1904 von Magirus entwickelt) wurde in einem angemieteten Raum untergestellt und der Übungsturm neben dem Gerätehaus war baufällig.
Für die Straßenreinigung waren keine Räumlichkeiten vorhanden, der Sprengwagen (zur Straßenstaubverminderung im Sommer) stand auch im Winter ungeschützt im Freien. Die Sanitätskolonne (Erste-Hilfe-Einheit des Deutschen Roten Kreuzes) hatte keine Übungs- und Unterrichtsräume. Der Krankenwagen der Gemeinde war in der Wagenremise der Zeche Adolf von Hansemann und die beiden Desinfektionswagen im Spritzenhaus der Gemeinde Oestrich untergebracht.
Die Jugendpflege hatte für die Betreuung der Mengeder Kinder und Jugendlichen im Volksgarten erforderliche Spielflächen eingerichtet, aber für den Winter fehlte es an geeigneten Räumen.
Aufgrund der so beschriebenen, misslichen Lage beschloss die Gemeinde Mengede im Jahr 1914 einen „Monumentalbau nach dem Projektvorschlag der Architekten D. & K. Schulze in Dortmund zur Ausgestaltung der südlichen Seite des Marktplatzes zu errichten.“

Projektdurchführung ab 1914
In der Gemeinderatssitzung vom 4. März 1914 wurden die Architekten Schulze beauftragt, eine Turnhalle und ein Feuerwehrdepot zu skizzieren. Trotz der Kriegsjahre wurde am 15. Februar 1915 der Bauantrag, erweitert um Wohnungen für Verwaltungspersonal, gestellt. Im Oktober 1916, nach nur eineinhalb Jahren, war die Baumaßnahme abgeschlossen.
Der Bau begrenzt die südliche Seite des Marktplatze und zur Hebung der Gesamtwirkung wurde im östlichen Flügel der – wie es in der Baubeschreibung heißt – „campanileartige“ Turm, höher ausgebildet als es für Feuerwehrzwecke erforderlich gewesen wäre. Entgegen der heutigen Nutzung diente der westliche Flügel als Wohnhaus für den Wärter der Turnhalle und Beamte der Feuerwehrstation.
Im Obergeschoss wurde ein großer Saal mit Empore (auf der Seite der heutigen Bühne), einem Technik-Raum mit Einrichtungen zur Veranstaltung von Film- und Lichtbildvorträgen und einer Bühne mit Nebenräumen (auf der Seite des heutigen Eingangs) sowie die erforderlichen Abortanlagen eingerichtet. Der Saal wurde als Turnhalle für die 32-klassige Volksschule (Schuljahre 1 – 8, Gebäude der heutigen Jeanette-Wolff-Schule am Markt) oder konnte nach Trennung in zwei Räume als Versammlungssäle genutzt werden.
Im Erdgeschoss standen zwei Ladenlokale, u.a. ein Fischverkaufsraum, zur Verfügung.
Der Feuerwehrgeräteraum und die Schlauchwäsche befanden sich im Turm. Dort bekamen auch die Sanitätskolonne und die Straßenreinigung Platz für ihre Geräte.
Verschiedene Nutzungsänderungen ermöglichten ab November 1921 auch den Betrieb eines Restaurants, dessen Betreiber zusätzlich die Bewirtschaftung des Saals übertragen wurde.
Gemeinsam nutzten Schule und Vereine den großen Saal für Sport- und Kulturveranstaltungen, bis die Beschädigungen im zweiten Weltkrieg dies nicht mehr zuließen.

Wiederaufbau ab 1945
Nach dem Krieg wurden die Räume im Erdgeschoss für Gemeinde und Feuerwehr notdürftig wieder hergerichtet, nur die Nutzung des Saales war über längere Zeit nicht möglich.
Nach Vorbesprechungen im Oktober 1947 gründete sich im April 1948 die „Kulturgemeinde Mengede“ aus Vertretern der kulturellen Vereine, der politischen Parteien und der Gewerkschaften mit dem Ziel des vollständigen Saalbau-Wiederaufbaus.
Tatkräftige Frauen und Männer konnten schließlich mit Unterstützung der Zeche Adolf von Hansemann der Bevölkerung ihre Kulturstätte nach Wiederherstellung zurückgeben.
Dieser Wiederaufbau ging mit großen Veränderungen einher: die zum Bushof liegende Terrasse und die Empore wurden nicht wieder aufgebaut, hier bekam nun die neue Bühne ihren Platz. An der Stelle der alten Bühne entstanden Maschinenraum, Tresen-Bereich und ein inzwischen wieder zurückgebauter Filmvorführungsraum. Die Nasszellen wurden an anderer Stelle neugeschaffen und, und, und…

Wiedereröffnung mit großer Oper
Besondere Nachkriegsnutzungen
In Anwesenheit der Militärregierung und vieler Ehrengäste wurde der Saal am 3. Juli 1948 durch den Oberbürgermeister der Stadt Dortmund seiner Bestimmung übergeben. Zur Krönung der Feierstunde konnten die Anwesenden Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ genießen.
Diese Aufführung blieb keine Ausnahme, denn nach Verhandlungen mit dem Kulturamt der Stadt Dortmund wurde der Saalbau in den Spielplan der Städtischen Bühnen aufgenommen. Opern, Operetten, Konzerte, und Schau- und Lustspiele gingen fortan über die Bretter der Mengeder Bühne.
Besonders wird in Berichten herausgestellt, dass der Saal gerne für wissenschaftliche Vorträge, auch unter Nutzung der höchst wirkungsvollen Filmvorführungstechnik, genutzt wurde.
So wechselten sich für einige Jahre im Saalbau kulturelle, private und geschäftliche Veranstaltungen mit Vorträgen und Versammlungen zu verschiedenen Anlässen ab. Mit der Operette „Dreimädelhaus“ verabschiedeten sich die Städtischen Bühnen im März 1951 von Mengede.
Die Raumnot in den Nachkriegsjahren zwang zu einer Nutzungsänderung des Saals, der Anfang 1953 für zwei Jahre zu einem Flüchtlingslager für bis zu 50 Personen umgebaut wurde.
Nach weiteren längeren Renovierungsarbeiten wurde der Saal im November 1955 mit einem Herbstkonzert des Bandoneon- und Akkordeonorchester seiner eigentlichen Bestimmung wieder übergeben.

Modernisierung und Umbauten ab 1975
Die Feuerwehr verließ 1975 das Gebäude und bezog die dringend benötigte neue Wache an der Haberlandstraße in Nette. Es folgten größere Sanierungsarbeiten, bei denen u.a. der Saal komplett überholt wurde.
Mit dem Aufzugsanbau und der Modernisierung der Toilettenanlagen steht den Menschen im Stadtbezirk seit 2008 eine vorbildliche, barrierefreie Veranstaltungsstätte zur Verfügung, dessen Bewirtschaftung dem Kulturzentrum Mengede e.V. übertragen wurde.
Bis heute wird der Saal Woche für Woche für Veranstaltungen für, mit und von Mengeder Bürgerinnen und Bürgern in seiner großartigen Vielfältigkeit genutzt – eine Auslastung, von der die Initiatoren nicht zu träumen gewagt hatten.

Franz-Heinrich Veuhoff