Erster Stammtisch im neuen Jahr
Heimatvereinsmitglied Diethelm Textoris, den Besuchern durch diverse Vorträge in der jüngeren Vergangenheit bestens bekannt, stellte an diesem Auftaktstammtisch 2018 in einer Power-Point-Präsentation den Karneval in den Mittelpunkt.
Das Thema hieß “Karnevalslieder im Wandel der Zeiten“. Schon das Mitsingen der Zuhörer zeigte, wie viele dieser Lieder die Zeiten überdauert haben. Viele von uns haben sie im Ohr und kennen mindestens den Refrain auswendig. Doch die Lieder verraten viel über den jeweiligen Zeitgeist, sind häufig Milieuschilderungen, erzählen Alltagsgeschichten und machen oft auch Aussagen über den politischen Hintergrund ihres Entstehungsjahres. Textoris reicherte seine Präsentation mit Original-Tondokumenten an, ordnete sie zeitlich ein und lieferte Hintergrundinformationen und Anekdoten zu den Liedern und den Interpreten. Wie bei allen seinen Vorträgen mit musikalischem Inhalt bot er auch hin und wieder Live-Gesang, wobei er vom Heimatvereinsvorsitzenden Hans Ulrich Peuser einfühlsam am Piano begleitet wurde.
Wer wusste schon, dass die „Hymne des Kölner Karnevals“, der „Treue Husar“ bis ins Jahr 1781 zurück zu verfolgen ist, ursprünglich ein Bänkellied war und erst Anfang der 20er Jahre des 20ten Jahrhunderts mit neuer bzw. ergänzter Melodie als Marsch Einzug in den Karneval gehalten hat. Oder, wem war bekannt, dass der Hit „Du kannst nicht treu sein“ 12 Jahre nach seiner Verbreitung in Deutschland in seiner englischsprachigen Fassung mehrere Wochen die US-Hitparade anführte und die erste Verkaufsmillion eines deutschen Liedschreibers in den USA war?
In seiner Präsentation erinnerte der Referent an berühmte dem Karneval verbundene Sänger und Komponisten. Viele von ihnen, wie Willi Ostermann, Willy Millowitsch, Jupp Schmitz, Trude Herr oder Willy Schneider sind heute längst Legende geworden. Plätze, Straßen wurden nach ihnen benannt und Denkmäler für sie errichtet. Doch die eigentlichen Denkmäler sind die von ihnen komponierten bzw. gesungenen Lieder. Weiter konnte Textoris berichten, dass der ehemalige Kölner Bäckermeister Karl Berbuer für sein Lied „Du munteres Rehlein, du“ bereits im ersten Halbjahr seines Erscheinens im Jahre 1939 12.000 Reichsmark erhielt. Sein „Heidewitzka, Herr Kapitän“ bescherte ihm, so berichtete Berbuer selbst, eine lebenslange Rente. Sein „Wir sind die Eingeborenen von Trizionesien“ war ein großer Nachkriegserfolg und beschrieb auf humorvolle Art das von den Alliierten dreigeteilte West- Deutschland, schloss mit der Vergangenheit ab und erweckte ein neues Selbstbewusstsein. Da das Grundgesetz keine Hymne festgelegt hatte, fungierte es zeitweilig als Ersatzhymne. Übrigens: Konrad Adenauer, unser erster Bundeskanzler, begrüßten die Amerikaner 1950 in Chicago mit „Heidewitzka, Herr Kapitän“, dem oben erwähnten anderen Ohrwurm von Berbuer.
Textoris vergaß nicht zu erwähnen, dass gerade in der Zeit des Nationalsozialismus auch die Politik und der herrschende Zeitgeist Einfluss auf den Karneval nahmen. Was sich u.a. mit der Judenverunglimpfung bei den Karnevalszügen und auch in einigen Liedern zeigte. Auf Geheiß der Nazis mussten die Funkenmariechen und die Jungfrau im Kölner Dreigestirn, traditionellerweise durch Männer verkörpert, jetzt von Frauen dargestellt werden, denn die jahrzehntelange Tradition war nach Meinung der herrschenden Ideologie zu nah an der nicht geduldeten Homosexualität.
Zum Ende des Vortrags ging Textoris auf die Wende ein, die mit den Bläck Föös und ihrem Lied „Drink doch eine met“ im Jahre 1971 eingeleitet wurde. Seitdem sind neben den Solisten Gruppen wie die „Höhner“, „Kasalla“, „De Boore“ oder die „Funky Marys“ gewichtige Faktoren im Karneval. Sie brachten neben den traditionellen Walzer-, Marsch- und Tangorhythmen auch Elemente des Jazz, Blues, Rock, Funk und Reggae in das karnevalistische Liedgut ein. Ganz aus dem Rahmen fällt das Lied „Liebe gewinnt“ von „Brings“ für die Session 2017/18. Regt es doch zum Nachdenken an, fordert auf zur Reduzierung des digitalen Lebens im Tausch gegen mehr Mitmenschlichkeit. Zum Ausklang stimmte der Textoris, wieder unterstützt von Hans-Ulrich Peuser am Klavier und über dreißig Zuhörerstimmen beim Refraingesang das Lied von Jupp Schmitz an, das immer zum Karnevalsausklang erklingt: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“.
Nach einem äußerst kurzweiligen Abend mit Walzertönen bis hin zum Rock und Pop machten sich die Besucher beschwingt und mit neuen Kenntnissen zu diesem Genre auf den Heimweg.