Das Kriegerdenkmal von 1873 in Mengede – Eine Hommage an die gefallenen Soldaten

Erster Standort 1873: Bahnhofstraße Heute: Mengeder Straße / Jonathanstraße

Erster Standort 1873: Bahnhofstraße Heute: Mengeder Straße / Jonathanstraße
 

Anlass zur Errichtung

Bürger der ehemals selbständigen Gemeinden im Dortmunder Stadtgebiet nahmen den preußisch- österreichischen Krieg 1866 und den deutsch- französischen Krieg 1870/71 zum Anlass, in den Folgejahren Krieger- und Siegesdenkmäler zu errichten.
Auch in Mengede hielten es die Mitglieder der evangelischen, jüdischen und katholischen Gemeinden für ihre Pflicht, die gefallenen Soldaten mit einem Denkmal zu ehren.
Eine Säule, deren Kapitell die Inschrift „Mit Gott für König und Vaterland“ trägt, krönt der Reichsadler mit leicht gespreizten Schwingen und gewundenem Hals.
Säule und Sockel sind aus Riesensteiner Granit aus der Gegend um Erfurt und die Architekturglieder mit den Schrifttafeln auf dem achteckigen Sockel bestehen aus Seeberger Sandstein aus Gotha (Thüringen). Etwa 7 Tonnen wiegt die Säule bei einer Höhe von rund 7 Metern.
Der Adler symbolisiert Sieg und Herrschaft und galt als Wappentier Preußens und des alten Deutschen Reiches.

Die Architekturglieder in den Sockelflächen zeigen erhaben dargestellt ein Eisernes Kreuz und gebunden, einen Palmzweig und ein Eichenlaub, Symbole für Kirche und Staat.

Vertieft wurden die Namen der gefallenen Soldaten der Mengeder Gemeinden in den Sockel ein- gehauen, und zwar:
Beilage 17-ft02Heinr. Bremer, Friedr. Küper, Herm. Schmölter und Heinrich Willing (1871), Heinr. Brüninghaus, Wilh. Brüsemann, Wilh. Dingermann und Wilh. Wilking (1870 Mars), Wilh. Reinoldsmann, Wilh. Thabe, Wilh. Zimmermann und Heinrich Wortmann (La-Tour), Theodor Brüsemann, Wilh. Is- bruch, Diedr. Kümper (1864) und Jos. Wickendorf (1866).
Das Denkmal ist das zweitälteste im Stadtbezirk, älter ist nur das Kreuz im Amtshauspark, das 1856 mit der Einweihung der heutigen Parkanlage als katholischer Friedhof errichtet wurde.
links: Ausschnitt aus einer Ansichtskarte „Gruß aus Mengede“ aus dem 19. Jh.

Baugeschichte

Auf besondere Einladung des Pfarrers Arnold Hausemann (ev. Pfarrer in Mengede von 1851 bis 1877) versammelten sich am 23. Juli 1871 viele Eingesessene, um über die Errichtung eines Kriegerdenkmals in Mengede zu beraten. Ein Komitee von 15 Personen unter dem Vorsitz des Pfarrers bekam von der Versammlung den Auftrag, ohne Verzug die entsprechenden Schritte einzuleiten.
Zur Deckung der veranschlagten Grundstücks- und Herstellungskosten von 1.183 Thalern wurden Sammlungen in den einzelnen Gemeinden abgehalten. Rund 683 Thaler kamen so zusammen und der Fehlbetrag wurde auf Vorschlag des Mengeder Gemeindevorstehers Wunneberg mit Genehmigung des Königlichen Landrats Freiherrn von der Heyden-Rynsch um 750 Thaler aufgestockt und auf die 12 Gemeinden des Kirchspiels verteilt.
Graf Droste zu Vischering (Eigentümer von „Haus Mengede“) gestattete dem Komitee mit Urkunde vom 9. November 1872 die Errichtung des Denkmals auf seinem 227 qm großen Grundstück an der ehemaligen Bahnhofstraße. Die Herstellung des Denkmals wurde dem Bildhauer Tobias Weiß in Tahl bei Ruhla (Thüringen) übertragen.
Am 16. August 1873 erging im „Dortmunder Anzeiger“ folgende Einladung des „Mengeder Kriegervereins“ an die Mengeder Bevölkerung:

Mengede, 14. August 1873
„Wir verhehlen nicht, auf das am 16. und 17. d. Mts. dahier stattfindende Kriegerfest, welches noch durch die Einweihung eines Denkmals er- höht wird, besonders aufmerksam zu machen. Für Musik ist die ausgezeichnete Kapelle des 7. Pionierbataillons aus Deutz unter Leitung des Dirigenten Herrn Münch engagiert. Herr Artmann, der Hauptmann des Kriegervereins hier, als tüchtiger Wirt bekannt, wird sicher für gute Speisen und Getränke sorgen. Abends gegen 9.00 Uhr wird ein brillantes Feuerwerk abgebrannt werden. Das Nähere ersieht man aus dem Programm des Fest Komitee’s. Unser Fest verspricht dem- nach in jeder Hinsicht ein genußreiches zu werden.“
Höhepunkt des Festes 1873 war die Einweihung des Denkmals. Der Verwaltungsbericht des Amtes Mengede belegt, dass „zur Nachricht für kommende Geschlechter unter dem Fuße des Adlers eine Stiftungsurkunde, ein Verzeichnis sämtlicher Krieger des Kirchspiels, welche den Krieg 1870/71 mitgemacht haben, Statuten des Mengeder Kriegervereins, sowie Scheidemünzen bis zu einem Thaler hinterlegt wurden“. Als Zeitereignis wurde neben der Erinnerung an die politischen Kämpfe in der Stiftungsurkunde u.a. auch auf das vielbesprochene Projekt „Herstellung eines Rhein-Emscher-Weser-Kanals“ hingewiesen.

Bei der Abrechnung der Gesamtkosten standen 1.542 Thaler 14 Silbergroschen 10 Pfennige zu Buche, die durch die eingegangenen Beträge aus den Sammlungen und den Beträgen der einzelnen Gemeinden gedeckt waren.
Zur Verschönerung des Denkmalplatzes mit einem Gitter unterstützten die Bürger eine weitere Sammlung vom 2. August 1877 bis 12. Mai 1878. Dieses Mal in Mark, denn durch eine Währungsreform hatte die Mark den Thaler ersetzt und gespendet wurden 1.462 Mark.
Das Komitee hatte mit dieser Verschönerungsmaßnahme sein Ziel erreicht und löste sich in der Sitzung vom 29. November 1879 auf, nachdem es zuvor eine Kommission aus Pfarrer Hausemann, den Herren Schröder-Prein (Groppenbruch) und Theodor Reeck (Mengede) zur Aufsicht über das Denkmal bestellt hatte.

1890 wurde der Sockel umfassend erneuert und auf Vorschlag des Amtmanns Schragmüller erklärte die Amtsversammlung am 19. Juni 1891, die Übernahme und Unterhaltung des Denkmals als Amtssache zu behandeln. Dass die Amtsverwaltung diesen Beschluss ernst nahm, beweist ein weiterer Beschluss der Amtsversammlung vom 30. Januar 1893. Danach wurde der Oestricher Gärtner Grasmann verpflichtet, für 15 Mark jährlich die Unterhaltung und Ausschmückung des Denkmalplatzes mit Blumen zu besorgen. Neben dem Schloss (Haus Mengede), einer Ortsansicht (kath. Kirche nur mit ihrem kleinen Turm) und dem Bahnhof war das Ehrenmal Motiv lithographischer Postkarten im 19. Jahrhundert (kleines Bild in der Titelleiste) Festwochen begannen am Denkmal mit musikalischen Darbietungen, und bis zum Dritten Reich stand die Säule häufig im Mittelpunkt örtlicher Ereignisse.

Die Jahrzehnte nach der Einweihung

55 Jahre trotzte das Denkmal Wind und Wetter an der Ecke Jonathan-/Mengeder Straße in einer gepflegten Anlage. Im Zuge des Neubaus für die Mengeder Post schlug die Baukommission der Amtsversammlung am 6. Februar 1928 vor, die Säule in 

die Grünanlage vor dem Postamt zu versetzen. Diese Umsetzung erfolgte im Frühjahr 1928; Kosten der Maßnahme rund 1.500,00 Mark.
Der Dortmund – Mengeder – Lokal – Anzeiger brachte am 2. April 1928 folgende Meldung:
„Am alten Kriegerdenkmalsplatz sah man in den letzten Tagen fleißiges Schaffen galt es doch, das Ehrenmal aus Deutschlands Einheitskämpfen niederzulegen und zu versetzen. Leider ist die Säule dabei zu Bruch gegangen … In einer Öffnung unter dem das Ganze abschließenden Adler befand sich eine Kapsel (Bild) mit allerlei Münzen, die in der Zeit der Errichtung im Umlauf waren. Das eingelegte Schriftstück war nicht mehr zu entziffern. Die Tinte war dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Das alte Kriegerdenkmal wird in neuer Auffrischung dem Platz an der neuen Post eine besondere Zierde sein und sich inmitten der Grünflächen sehr gut ausmachen.“
Die Einweihung am neuen Standort erfolgte am Sonntag, dem 3. Juni 1928 durch Bürgermeister Werner Pauly, der in einer ergreifenden Rede Pfarrer Arnold Hausemann und den Herren Schröder-Prein und Reeck den Dank der Mengeder für die unermüdliche Arbeit aussprach.

Standort zwischen Büren- und Molkereistraße

Die Schriftstücke – soweit erhalten – und Münzen aus der Errichtungszeit, ergänzt durch aktuelle Zeitbelege wurden 1928 dem Platz unter dem Adler wieder zugeführt.

Einrückende amerikanische Truppen nahmen Augenzeugenberichten zufolge den Adler im Mai 1945 aufs Korn und ließen den linken Flügel als Souvenir mitgehen.

30 Jahre später erfolgte ein größerer Umbau des Mengeder Bahnhofs, bei dem auch der beschrankte Bahnübergang durch eine Brücke über den Bahnhof ersetzt wurde. Für die Brückenzufahrt musste die schmucke Grünanlage zurück gebaut werden. Heute steht das Denkmal auf einer bescheidenen Wiesenfläche.
Für die letzte Beeinträchtigung sorgte das Wetter. Am 9./10. Juni 2014 erreichte Mengede die Gewitterfront des Tiefdruckgebietes „Ela“. Ein Baum der kleinen Anlage um das Denkmal herum stürzte bei dem sogenannten Pfingstmontag- Unwetter, traf den Adler und riss diesen von der Säule. Schon bald weckte der am Boden liegende Adler das Interesse einer Gruppe, die augenscheinlich ein Auge auf das Altmetall geworfen hatte. Dies bemerkte Marcel Plutta bei einem Spaziergang durch Mengede, der durch das Einschalten der Polizei verhindern konnte, dass der Adler in fremde Hände kam. Der Vogel blieb wieder seinem Schicksal überlassen bis Zahnarzt Dr. Ingo Herminghaus, der im ehemaligen Postamt praktiziert, das zerborstene Wappentier am Morgen nach dem Sturm sicherstellte. Über den Heimatverein landete der Adler beim Tiefbauamt der Stadt Dortmund. Kein „gutes Nest“ für den Adler.
Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte nahm sich schließlich auf Anraten der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Dortmund, der Bezirksvertretung und des Heimatvereins der Restaurierung der Säule an.
Bei der Bearbeitung der Säule wurde auch die 1928 eingesetzte Kassette entnommen. Sie enthielt, in Wachstuch eingewickelt, einen Stapel Papier und die Scheidemünzen. Leider ist auch die Kassette – ebenfalls ein Zinkguss – lange Zeit beschädigt gewesen, sodass die Papiere aufgrund der Feuchtigkeit z. Zt. nicht mehr zu lesen sind. Sie werden nun sorgfältig getrocknet und restauriert.

Der Adler aus Zinkguss hatte in seinem Übergangsquartier dermaßen gelitten, dass eine Restaurierung nach sachlicher Prüfung ausschied. Das Material ist durch und durch korrodiert, so dass keine Stabilität mehr vorhanden war, zudem kamen im Laufe der Zeit wichtige Teile abhanden. Nach verschiedenen Überlegungen wurde der Metallrestaurator Martin Möbus aus Mertloch (Eifel) beauftragt, einen gleichaussehenden Adler nachgießen zu lassen. Möbus fand einen in Größe und Optik vergleichbaren Adler, den die Gießerei Pelikan aus Behndorf-Sayn aus Aluminium neu goss und mit Graphitpaste beschichtete, um ihm ein gusseisernes Erscheinungsbild zu geben.
Die Säule, auf der das 70 kg schwere Tier sitzen wird, wurde von Werner Paetzke, Steinrestaurator aus Hörstel-Bevergern schonend gereinigt und restauriert.
Am 7. November 2019 wurden im Beisein der Restauratoren, Vertretern der Bezirksvertretung und des Heimatvereins und unter Beteiligung der Bürger die Arbeiten mit dem Aufsetzen des Adlers vorerst abgeschlossen.
Zu einem späteren Zeitpunkt wird eine Zeitkapsel mit den restaurierten Einlagen früherer Jahre und aktuellen Belegen den Platz unter dem Adler einnehmen, so dass auch nachfolgende Generationen um den Verlust des Originaladlers und seinen Ersatz wissen.
Die Koordination der Restaurierung lag bei Dr. Rosemarie Pahlke von der Stabsstelle Kunst im öffentlichen Raum und Anneke Lamot von der Unteren Denkmalbehörde.

Tobias Weiß
der künstlerische Vater des Denkmals

Tobias Weiß, geb. am 4. April 1840 als sechstes Kind armer Hirtenleute in der nach Nürnberg eingemeindeten Ortschaft Krottenbach, war Professor an kunstgewerblichen Schulen und Künstler, besonders im Freihand- zeichnen und Modellieren.
Viel Sinn für Musik und Kunst wurde dem Vater nachgesagt, und so war der Weg des jungen Weiß schon im Kindesalter vorgezeichnet. Mit 14 Jahren begann Weiß seine Lehrzeit im Elfenbeinwarengeschäft Frank in Fürth. Seine guten Arbeiten eröffneten ihm früh Stipendien, die der bescheidene Mann aber nicht annahm. An die 5 1⁄2- jährige Ausbildung schlossen sich drei Jahre Kunstschulzeit in Nürnberg an, die ohne seine Einwilligung mit einer Professur an der Kunstschule endete. Ein Jahr lang wurden seine Schulkameraden zu seinen Schülern, bis der Weg ihn wieder in den Schoß der Familie Frank zurückführte. München, der Krieg 1866 und wieder München waren die weiteren Stationen, ehe ihn das Ministerium in Gotha im Winter 1867 an die Gewerbeschule zu Ruhla (Berufsschule kunsthandwerklicher Ausrichtung) berief. Einige Jahre wirkte Weiß (auf dem Foto mit Tochter Helene, um 1872) erfolgreich in Thüringen. In dieser Zeit entstand auch das Mengeder Ehrenmal in seiner Werkstatt. Zwei freie Lehrstellen an der Baugewerbe- und Kgl. Industrieschule ließen ihn 1871 wieder den Weg nach Nürnberg finden, wo er bis 1911 segensreich wirkte. Aber auch nach seiner Rückkehr in die Heimat begleitete er seine ehemaligen Schüler an der Gewerbeschule zu Ruhla noch einige Jahre mit seinem künstlerischen Rat. Der Mann, der in vielen Städten Deutschlands und Europas Kunst lehrte und schuf und der mit 70 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet wurde, konnte als einziger „Gründungslehrer“ 1921 das 50jährige Jubiläum seiner „Städtischen Bauschule Nürnberg“ erleben.
Nach dem Tode seiner ersten Frau heiratete Weiß am 29. April 1874 zum zweiten Male. Vier- zehn Kinder waren dieser Ehe entwachsen, für deren Zuhause eigens ein großes Haus an der Nürnberger Peter-Henlein-Straße entstand. Seiner unveröffentlichten Biografie ist erfolg- und umfangreiches Wirken zu entnehmen. Schwer- punktmäßig war Tobias Weiß in kirchlichem Auf- trag tätig, und diese künstlerische Richtung könnte ihn auch mit dem Mengeder Denkmalkomitee zusammengeführt haben. Zu recherchieren war das Zusammenkommen leider nicht.

Hoch geehrt starb Tobias Weiß im gesegneten Alter von 89 Jahren am 26. Februar 1929 in Nürnberg. Der Stadtrat widmete dem Verstorbenen „für seine segensreiche Tätigkeit als Lehrer für Freihandzeichnen und Modellieren, für seine unverdrossene Arbeitsfreudigkeit, sein ruhiges, bescheidenes, abgeklärtes Wesen, dem jedes Streben nach öffentlicher Anerkennung fern lag“, Nachrufe und sicherte „dem feinsinnigen, tief religiös veranlagten Künstler dauerndes Gedenken bei allen, die ihm auf seinem Lebensweg begegneten“, zu.

Franz-Heinrich Veuhoff, 2019
Quellen:
  • Verwaltungsbericht des Amtes Mengede, 1889-1902
  • Öffentliche Denkmäler und Kunstobjekte in Dortmund, 2. Auf-lage 1990
  • StA DO, Signatur 204/02-lfd Nr. 204