Ein musikalischer Rückblick beim März Stammtisch im Heimathaus

Den März Stammtisch des Heimatvereins am 2. März gestaltete einmal mehr Diethelm Textoris. Bereits zum sechsten Mal war Diethelm somit der Referent der beliebten Veranstaltungsreihe im Heimathaus und einmal bereits im alten Heimatkeller.

Während er bisher eher als Wandervogel und Radtourenchronist  aufgetreten ist, stand dieser Abend unter der Überschrift:

„Leichte Muse in schweren Zeiten“

Gemeint ist die Zeit von 1933 bis Mitte der 1950-ger Jahre. In den Vortrag baute Diethelm   zahlreiche Bild- und originale Tondokumente ein.  Aber auch die musikalischen Beiträge des Referenten waren wieder einmal sehr gefragt und sorgten für ein abwechslungsreiches Programm. Unterstützt wurde er von Hans-Ulrich Peuser am Piano und Heinz Weckendrup mit dem Akkordeon.

Textoris zeigt die Bedeutung der Schlager für die Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus, der Vorkriegszeit und des Zweiten Weltkriegs, der Besatzungszeit bis zum beginnenden Wirtschaftswunder der jungen Bundesrepublik in den frühen Fünfzigerjahren auf.

Zur Einstimmung auf die Veranstaltung gab Diethelm Textoris die folgende Erläuterung:
„Es gibt nur wenige Dinge, die uns auf so einfache und schnelle Weise mit Wohlempfinden bis hin zu Glücksgefühlen erfüllen können wie die Musik. Das gilt besonders für die sogenannten „schlechten Zeiten“, wo jede Ablenkung von Entbehrungen, Not und Leid des Alltags willkommen ist.
Anfang der 30-iger Jahre war die Medienlandschaft in Deutschland im Vergleich zu heute noch überschaubar. Es gab den (Ton-) Film, die Schellack- Schallplatten mit 78 Umdrehungen und natürlich das Radio, den berühmten Volksempfänger.
Mit dem Titel „Veronika, der Lenz ist da“ der Comedian Harmonists, begann der musikalische Teil des Abends, und gleich wurde kräftig mitgesungen. Diese „Boygroup“ war 1933 mit über 150 Konzerten pro Jahr auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, fiel aber dann der Zensur und dem Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer. Die Gruppe musste sich 1935 nach massivem Druck in einen „arischen“ und einen „nichtarischen“ Teil aufspalten. Nach dem 1.5. 1934 griff das Auftrittsverbot der Reichskulturkammer.
Auch Opernsänger Joseph Schmidt bekam als jüdischer Mitbürger ein Auftrittsverbot. Er floh nach Österreich, Frankreich und in die Schweiz. Hier wurde er interniert und verstarb 1942 im Internierungslager Girenbad.
Andere Künstler wie Zarah Leander (Davon geht die Welt nicht unter), Marika Rökk (Für eine Nacht voller Seligkeit), der „blonde Hans“ Albers und Heinz Rühmann (Quax der Bruchpilot) passten in das Weltbild und wurden von dem Regime der  Nazis vereinnahmt. Der blonde Hans, der bereits über 100 Stummfilme gedreht hatte war, auch der Held des ersten deutschen Tonfilms mit dem Titel „Die Nacht gehört uns“. Sein Lied „Flieger, grüß mir die Sonne“ aus „FP1 antwortet nicht“.
Auch der Schauspieler und Regisseur Gustav Gründgens und der Boxweltmeister Max Schmeling wurden von Joseph Göbels und seiner Propagandamaschine (auch zum Nutzen der eigenen Karriere) vereinnahmt.
Max Schmeling mit seiner Frau Anni Ondra waren nach dem Erringen der Weltmeisterschaft als Vorzeigepaar auch in den höchsten Kreisen gerne gesehene Gäste. Nach seiner Niederlage im zweiten Kampf und der Niederlage gegen den „Neger“ Joe Louis gab es einen Spottgesang (Am Hamburger Hafen).

Eine Ausnahme bildete Marlene Diedrich. Nach ihrem Riesenerfolg in Der blaue Engel (Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt) bemühte sich das Regime um sie. „Die Diedrich“ die zog es aber vor, in den Vereinigten Staaten zu bleiben, wo sie eine Hollywoodkarriere gemacht hatte. Während des Krieges betätigte sie sich sich als Truppenbetreuerin in der US Armee. Dieser Tatbestand wurde ihr lange Zeit, speziell von den Berlinern. nicht verziehen. Heute ist sie in ihrer Heimatstadt Berlin begraben.
Bereits 1933 entstand im Emsland bei Börgermoor das erste Konzentrationslager. In diesem Lager wurden vorwiegend politische Gegner des Nazi-Regimes gefangen gehalten. Mit einfachen Werkzeugen wie dem Spaten mussten diese dort Torf abbauen, der damals als Energieträger diente. Dabei entstand mit Lied der „Moorsoldaten“ eine ergreifende Hymne, die ebenfalls von vielen Künstlern aufgenommen und gesungen wurde. Diethelm stellte uns die Version von Hannes Wader vor.
Mit Kriegsbeginn 1939 wurde das Wunschkonzert zu einer der wichtigsten Radiosendungen. Hier konnte jetzt die Macht der Klänge kriegsunterstützend  (Tapfere kleine Soldatenfrau; Es geht alles vorüber; Davon geht die Welt nicht unter) gezielt eingesetzt werden.
Flexibel zeigten sich die  deutschen Komponisten bei Umgehung des Swing Verbotes. Der Swing (als Negermusik beschimpft) war nicht erwünscht und wer nicht BBC empfangen konnte, hatte kaum eine Chance diese schmissige Musik zu hören. Also wurde diese Stilrichtung in „Foxtrott“ umbenannt, und schon war diese Musik zumindest geduldet.
Eine besondere Ausnahme war „Lili Marleen“ von Hans Leip. Er schrieb dieses Lied bereits 1915 im ersten Weltkrieg. Während des zweiten Weltkrieges durchbrach es dann in der Vertonung von Norbert Schultze alle Fronten und ging um die Welt. Deutsche, Amerikaner, Engländer und Franzosen sangen es gleichermaßen. Es wurde in über 50 Sprachen übersetzt und von vielen Interpreten, auch Marlene Diedrich, gesungen. Die bekannteste Version ist wohl die von Lale Anderson.
Nach einer kleinen Pause setzte unser Referent dann seinen Vortrag fort. Der Krieg war zu Ende und Deutschland lag in Trümmern. Mit „Die große Freiheit Nr.: 7“ gab es den ersten Farbfilm, der noch während des Krieges abgedreht worden war. Wir hörten Lieder wie „Kleine Möwe flieg nach Helgoland“, „Beim ersten Mal, da tut`s noch weh“, „La Paloma“.
Mit den GI`s kam endlich auch der Swing nach Deutschland. Glenn Miller`s Chattanooga Choo Choo war der Ohrwurm.  Doch auch hier gab es mit dem „Zug nach Kötschenbroda“ schon bald den Hit als Parodie auf Deutsch.
Nachdem der Kölner Kardinal Frings mit dem „fringsen“, dem erlaubten „Kohlenklau“ / „Mundraub begehen“ in seiner Silvesterpredigt 1946  von der Kanzel „genehmigt“ hatte, gab es auch hierfür bald ein eigenes Lied.  Es war wahrscheinlich René Carol, der die beliebten „Capri Fischer“  von Rudi Schuricke in eine schicke Kohlenklau Parodie um. Auch dieses Lied wurde uns in beiden Versionen vorgespielt und wieder sangen alle mit.
Ein besonderer Aufreißer war der Trizonesien Song (Wir sind die  Eingeborenen von Trizonesien), der 1948 als Karnevallied geschrieben wurde und weit über das Rheinland hinaus bekannt wurde. Er übernahm teilweise die Funktion der fehlenden Nationalhymne.
Nach der Währungsreform, als es langsam bergauf ging,  startete das Wirtschaftswunder. Ein Typisches Lied dieser Zeit war „Wer soll das bezahlen“. Es begann die Zeit der Heimatfilme wie  „Schwarzwaldmädel (1950), „Im weißen Rößl (1951)“ und „Wo der Wildbach rauscht (1956)“.
Musiktechnisch bekamen wir die Cowboy Romantik. „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“ der niederländischen Band Kilima Hawaiians war einer der Million-Sellers“ der Nachkriegszeit, der später vom Holländer Bruce Low nachgesungen wurde.
Nach gut zwei Stunden beendete Diethelm Textoris seinen Vortrag, den er in gewohnt lockerer Form herübergebracht hat. Auch die vielen musikalischen Einspielungen und Live-Vorträge der Lieder wurden dankbar angenommen und von vielen mitgesungen. Das war mal wieder eine runde Sache und die über sechzig Besucher des Stammtisches bedankten sich mit lang anhaltendem Applaus bei unserem Referenten und den beiden Instrumentalsolisten.