Das Unplugged-Konzert zu „95 Jahre Tonfilm, Filmmusik und Filmschlager“ begeisterte die zahlreichen Besucher.
Zwei Konzerte im Heimathaus Mengede sind nicht genug. Im März waren sie aufgrund der limitierten Platzanzahl im Nu ausverkauft. Schon damals kündigte Hans-Ulrich Peuser eine Neuauflage in größerem Rahmen an. Gut, dass in Mengede mit dem Saalbau eine passende Location zur Verfügung steht. Letzten Sonntag (29.9.) war es soweit. Die Emscherperlen-Fischer als „Hausband“ des Heimatvereins Mengede präsentierten das runderneuerte Programm zur Filmmusikgeschichte. Dass dieses Konzert ein großes Publikum verdient hat, bewies die gute Resonanz von mehr als 130 Besuchern. Neu waren im Vergleich zu den Heimathaus-Konzerten Melodien eines weltbekannten Spezialagenten.
Zwar hatte Hans-Ulrich Peuser zu Beginn einen kleinen Wermutstropfen parat, das sollte sich im Verlauf jedoch nicht negativ auswirken. Auf die zum Ensemble normalerweise nicht wegzudenkende Tenorstimme von Werner Mühlbrodt musste wegen der kurzfristigen Erkrankung des Sängers verzichtet werden. Die flexible Reaktion darauf waren die einstudierten Instrumental-Soli zur Überbrückung der fehlenden Gesangseinlagen. Eine weitere personelle Veränderung musste verkraftet werden. Akkordeonspieler Heinz Weckendrup bekam eine ärztliche Zwangspause verordnet. Dafür sprang spontan Uwe Konetzny ein, den der glückliche Hans-Ulrich Peuser dem Publikum vorstellen konnte.
So setzten sich die weiteren Mitglieder des Ensembles aus Hans-Ulrich Peuser (Flügel), Lena Rokita (Violine), Kai Neuvians (Saxophon), Matthias Willing (Kontrabass, Sousaphon) zusammen. Nicht zu vergessen Moderator Diethelm Textoris mit seinem unerreichbaren Hintergrundwissen.
Das Konzert startete furios mit dem „Colonel Bogey March“ aus dem mit 3 Oskars prämierten Film „Die Brücke am Kwai“ (Ein Oskar für die Filmmusik vom Sam Spiegel).
Es folgte von dem frühen Tonfilm „The Singing Foul“ der Titelsong „Sonny Boy“. Diethelm wusste zu berichten, dass wegen der Rassentrennung in den USA zu dieser Zeit (1928) weiße Schauspieler schwarz geschminkt wurden (Black Painting).
Nun folgte mit „Casablanca“ und dem Traumpaar Humphry Bogart und Ingrid Bergmann ein absoluter Klassiker. Mit der Aufforderung „Spiel`s nochmal Sam“ intonierten die Emscherperlen-Fischer“ wie in Ricks Cafe „As Time goes by“. Dabei imponierte Kai Neuvians mit seinem Tenorsaxophon.
Bei der Komödie „Limelight“ erinnerte Diethelm an Charles Spencer Chaplin, besser bekannt als Charlie Chaplin, sicherlich ein Alleskönner im Filmgeschäft. Er spielte die Hauptrolle, führte Regie und komponierte auch die Musik. Hans-Ulrich Peuser am Klavier, Lena Rokita an der Geige und Kai Neuvians am Saxophon brachten den Titelsong „Eternally“ gefühlvoll rüber.
Nach diesen internationalen Filmen stellte Diethelm mit „Wasser für Canitoga“ aus 1939 einen deutschen Abenteuerfilm vor. Hans Albers soll als Ingenieur das kanadische Canitoga mit Wasser versorgen. Mit dem Titelsong Goodbye Johnny brachte Diethelm Textoris, der sich dazu passend kostümierte, einige Besucher zum Schunkeln und Mitsingen.
Der nächste Hit war „Heimat deine Sterne“ aus dem Unterhaltungsfilm „Quax der Bruchpilot“ (1941). In der Hauptrolle Heinz Rühmann als Hobbypilot. Was viele nicht wissen – er flog sämtliche Szenen selbst.
Hitchcock fehlte auch nicht. Es war „Der Mann, der zu viel wusste“ mit James Stuart und Doris Day. Das von ihr gesungene Kinderlied „Que Sera – Was kann schöner sein“ wurde ein Welterfolg. Hier glänzten noch einmal Lena Rokita und Kai Neuvians.
Anschließend ging es in die wohlverdiente Pause.
Mit dem „Blauen Engel“ und Marlene Dietrich ging es nach der Pause weiter. Dieser Film aus dem Jahre 1930, der in den Studios Babelsberg zweisprachig in Englisch und Deutsch gedreht wurde, legte den Grundstein zu ihrer Weltkarriere. Mit den Songs „Ich bin die fesche Lola“ und „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ versetzte Diethelm die Zuhörer gekonnt in die wilden „Zwanziger Jahre“.
Der nächste Streifen eröffnete uns die russische Seele. „Lara`s Theme“ aus „Dr. Schiwago“ (1965) wurde instrumental dargeboten. Bei dieser Interpretation setzte Lena Rokita ihre Violine als Zupfinstrument ein, ein klangvolles Pizzicato.
Es folgte ein wichtiger Teil deutscher Filmgeschichte. Was bot sich mehr an als „Karl May“. In den 60igern waren „Winnetou 1 – 3“, „Der Schatz im Silbersee“, „Old Surehand“ usw. wahre Kassenschlager. So weckte die Winnetou-Melodie beim Publikum viele (angenehme) Erinnerungen.
„Mein Name ist Bond, James Bond“, wer kennt nicht die Art, wie sich der 007-Agent vorzustellen pflegte und seinen Martini geschüttelt statt gerührt trinkt? Grund genug für die Emscherperlen-Fischer, Titelsongs aus „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) und „Goldfinger“ (1964) neu ins Programm aufzunehmen.
Mit den Filmen „Saat der Gewalt“ (1955) und „Außer Rand und Band“ (1956) wurde es rebellisch und laut. Die Filmmusik „Rock around the Clock“ von Bill Haley & his Comets wurde zur Marseillaise des Jugendprotestes. In so manchen Lichtspielhäusern (z.B. Schauburg bei Kaffsack) wurde die Einrichtung demoliert.
Mit „Can you feel the love tonight“ aus dem König der Löwen wurde es wieder ruhiger. Der gefühlvolle Vortrag hätte dem Komponisten Sir Elton John sicher auch gefallen.
Dann gab Moderator Diethelm noch einmal alles. Mit „La Paloma“, der weißen Taube aus dem Film „Große Freiheit Nr. 7“ von Helmut Käutner (1943), intonierte er Hans Albers. Dabei erinnerte er (mit einem Foto) an eine Klassenfahrt aus dem Jahre 1960 an die Mosel. Damals hatte er dieses Lied zum ersten Mal gesungen.
Rainer-Werner Fassbinder war eine deutsche Regielegende. Mit „Lili Marleen“, der Geschichte eines Liedes nach dem Buch „Der Himmel hat viele Farben“, erinnerte er an die unvergessene Lale Andersen. Aber auch Marlene Dietrich hat dieses Lied im Rahmen der amerikanischen Truppenbetreuung gesungen. Mit „What a wonderful World“ aus dem Streifen „Good Morning Vietnam“, der wahren Geschichte des Moderators Adrian Cronauer, endete der wunderschöne Streifzug durch die Filmgeschichte mit Filmmusik, Schlagern und Gassenhauern. Hans-Ulrich Peuser zog noch einmal alle Register und erinnerte an die Reibeisenstimme von Louis „Satchmo“ Armstrong. Die Zuhörer waren begeistert.
Und was passt im Ruhrgebiet am Besten als Zugabe? Natürlich das Steigerlied, das zum Abschluss von vielen Besuchern mitgesungen wurde.
Der ehrwürdige Saalbau hat seine Feuerprobe als Konzertsaal bestanden. Die virtuosen Musiker bedienten ihre Instrumente ohne elektronische Verstärkung. Dadurch klangen sie sehr präzise und detailreich. Weitere kulturelle Highlights dieser Art im Saalbau sind den Mengedern zu wünschen.
Text und Fotos: Peter Kaufhold