Alte Apotheke in Mengede – Wie Eugen Eick den Standort erkämpfte
Eugen Eick, Apothekenbesitzer zu Waltrop, hatte am 23. August 1893 die Konzession zur Errichtung einer Apotheke in Mengede beantragt. Dieser Antrag wurde am 4. Dezember 1893 wohlwollende mit der Auflage beschieden, seine Apotheke in Waltrop aufzugeben. Es war einem Apotheker damals nicht erlaubt, zwei (oder mehr) Apotheken zu betreiben. Einen „freihändigen“ Verkauf der Waltroper Apotheke ließ die Königlich-Preußische Order vom 8.März 1842 nicht zu, daher wurde „Ew. Wohlgeboren Eugen Eick“ vom Königlichen Regierungs-Präsidium in Münster mit Schreiben vom 4. Dezember 1893 aufgefordert, vor Eröffnung der Apotheke in Mengede Bedingungen zum Verzicht auf die Konzession in Waltrop bekannt zu geben. Nach Erfüllung sämtlicher Auflagen wurde die Konzession durch Erlass vom 28.2.1894 erteilt. Vor der Entscheidung zum Standort wurden die Gemeinden des Amtes Mengede um eine Stellungnahme gebeten, die mit großer Mehrheit positiv für den Platz in Bahnhofsnähe ausfiel. Lediglich die Gemeinde Bodelschwingh gab am 26.04.1892 zu Bedenken, dass als gelegenster zentralster Punkt Bodelschwingh am geeignetsten sein würde.
Damit beginnt die Geschichte der ersten, der „Alten Apotheke“ in Mengede. Eugen Eick, 1848 in Waltrop geboren, erhielt am 20. Dezember 1872 die „Approbation zum selbständigen Betriebe einer Apotheke für das Gebiet des Deutschen Reiches“ und eröffnete daraufhin in Waltrop auch seine erste Apotheke. Der wirtschaftliche Aufschwung im benachbarten Mengede bewog ihn 20 Jahre später, dort eine Apotheke einzurichten. Auf einem Grundstück in Bahnhofs- und Zechennähe ließ er ein stattliches Gebäude erstellen, in dem sich nach Umbauten, Erweiterungen und Renovierungen auch heute noch die Alte Apotheke befindet, mehr als 120 Jahre im Dienste der Mengeder Bevölkerung.
Es war echter Pioniergeist, der Eugen Eick gerade diesen Bauplatz im Schatten des Mengeder Bahnhofs wählen ließ. Zwar fuhr die Köln-Mindener Eisenbahn schon seit 1847, aber Mengede – in Jahrhunderten von Landwirtschaft, Handwerk und Handel geprägt – war im Wesentlichen auf das Gebiet um die altehrwürdige St. Remigius-Kirche begrenzt. Sein Projekt war die erste Ansiedlung eines Gewerbebetriebes zwischen Bahnhof und altem Ortskern und damit auch der Beginn einer Verlagerung des Mengeder Zentrums in Richtung Bahnhof Mengede.
Doch gleich jenseits der Bahn begann die neue Zukunft. Hier wurde seit 1873 von der Mengeder Bergwerks-AG die Zeche „Adolf von Hansemann“ abgeteuft, die Arbeit und Brot für viele hundert Arbeiter versprach. Hinzu kam noch die Zeche „Westhausen“ in Bodelschwingh, wo schon seit 1873 Steinkohle abgebaut wurde.
Durch Teilung des Amtes Castrop war 1889 das Amt Mengede entstanden und im Gründungsjahr der „Alten Apotheke“ zählte das Amt rd. 7300 Einwohner. Um die Gesundheit kümmerten sich 1893 drei Ärzte: in Mengede Dr. Eduard Funcke (seit 1853) und Dr. Emil Bück (seit 1888), in Bodelschwingh Dr. Heinrich Staupendahl (seit Mitte 1893). Die von ihnen verordneten Arzneien mussten auf beschwerlichen Wegen aus der weiteren Nachbarschaft, so aus Waltrop, besorgt werden, bis sich Eugen Eick entschloss, in Mengede einen neuen Anfang zu wagen. Aber schon vorher hatte er den kranken Mengedern geholfen: Um ihren Angehörigen den Fußweg nach Waltrop zu ersparen, hatte er am „Schlagbaum“ (heute: Shell-Tankstelle an der Waltroper Straße) einen Sammelkasten installiert, aus dem täglich ein Bote die Rezepte abholte, der später dann auch die Medikamente ins Haus zustellte.
Im Vestischen Archiv zu Recklinghausen befindet sich der Nachlass von Eugen Eick-Kerssenbrock, der aus historischen Gründen den Doppelnamen angenommen hatte, denn er erforschte leidenschaftlich die Familiengeschichte und war dabei auf einen Kerssenbrock gestoßen, der im Zuge der Münstersehen Wiedertäufer-Auseinandersetzungen erwähnt worden war.
Als Eick am 25. Juli 1928 in Mengede stirbt, hinterlässt er zwei Söhne (beide Apotheker) und eine Tochter. Hermann Lucian Eugen, geb. 1876, und Alfred, geb.1886, übernehmen die Alte Apotheke, die im Jahre 1924 durch einen Geschoßaufbau erweitert worden war. Hermann, der nicht verheiratet war, stirbt 1946. Bruder Alfred, dessen Ehe mit Marie Kaatz (1887-1980) kinderlos geblieben war, stirbt 1965. Sieben Jahre vorher hatte er die Apotheke an Rudolf Deuf (geb.1919 in Nette) verpachtet. Seit 1. Januar 1967 war Apotheker Deuf Eigentümer der Alten Apotheke. Verheiratet war er mit Anneliese Pauly (geb.1923), Tochter des letzten Mengeder Amtmanns und Bürgermeisters. Aus dieser Ehe gingen die beiden Töchter Angelika und Gabriele hervor. Angelika heiratet 1975 den Apotheker Wilhelm Tackenberg (geb. 1951 in Mengede), der am 1. Januar 1993 die Alte Apotheke von seinem Schwiegervater übernahm.
War im 19. Jahrhundert eine Königlich-Preußische Konzession zur Eröffnung einer Apotheke erforderlich, so herrscht seit 1956 Niederlassungsfreiheit. Der Stadtbezirk Mengede wuchs durch das aufblühen von Handwerk, Handel und die Industrie innerhalb weniger Jahrzehnte auf fast 40.000 Einwohner und um diese pharmazeutisch zu betreuen, war auch die Gründung weiterer Apotheken nur eine Frage der Zeit.